von Peter Braune
Als alle immer weniger hatten, außer denen, die schon immer alles hatten, da wurde selbst das Geld fürs Essen knapp. Hier und da fiel schon mal jemand auf der Straße oder in der U-Bahn einfach so um. »Entkräftung«, sagten die herbeigeholten Sanitäter, »heute schon der vierte Fall.«
»Das wird aber teuer«, sagte sich der Herr Senator fürs Geld, »wenn ich die Kosten für den Transport, die Behandlung und die mehrtägige Aufpäppelung dieser Umfaller aus meinem Säckel begleichen muß.« Und schon stieg in ihm ein Plan auf – ein Sparplan oder »Essensfahrplan«, wie er ihn später bei der Einberufung einer großen Pressekonferenz nannte. »Meine Damen und Herren«, sagte der Herr Senator, »wir alle können vor allem beim Essen sparen. Keiner muß umfallen und dann tagelang in unseren Krankenanstalten abgespeist werden. In meinem Hause habe ich den Speisezettel für das kleine Portemonnaie entwickeln lassen. Ja, ich habe sogar höchst persönlich an der Erprobungsphase teilgenommen, Freude daran gehabt und keinen Schaden genommen.« Danach diktierte der Herr Senator seinen Speiseplan für einen Tag in die aufgesperrten Computer der Presseleute.
Tags darauf schon titelten alle großen Zeitungen: »Machen Sie mit! Für 3,95 Euro pro Tag sind Sie dabei!« Auf den Seiten drei und vier folgten dann Einzelheiten, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Getreu den Vorgaben des Herrn Senators wollte ich alles einkaufen, was er und sein Haus vorgeschlagen hatten. Allerdings habe ich mich beim Chefkoch des Restaurants Borchardt am Berliner Gendarmenmarkt, in dem der Herr Senator oft zu speisen pflegt, erkundigt, wie denn der Herr Senator seine Bestellungen zubereitet bekäme; denn zusammen mit einigen Freunden von Hartz IV wollte ich den Herrn Senator einen Tag bei mir zu Tisch bitten. Aus Dankbarkeit.
»Zum Frühstück, mein Herr«, sagte mir der bereits erwähnte Sternekoch, »zum Frühstück reichen Sie dem Herrn Senator bitte nicht einfach nur zwei Brötchen mit Marmelade, sondern zwei Croissants mit Confiture naturelle, Butterflocken, zwei Portionen Café Creme, eine Scheibe Gorgonzola und dazu ein Gläschen Champagner. Ha, zu Mittag schlägt er Spaghetti Bolognese vor. Na, da haben Sie aber zu tun! Nehmen Sie unbedingt Tatar. Pro Person so 200 Gramm. Dünsten Sie feine Rispentomaten mit zwei Knoblauchzehen und einer Zwiebel in einem Stich Butter, und lassen Sie diese durch ein Sieb passieren. Natürlich brauchen Sie je eine Prise feinherbe Paprika und Oregano. Ein wenig frische Petersilie und einige Blätter Basilikum, fein gehackt, werfen sie darüber. Nach Ihrem Gusto geben Sie nun dem Sugo Wein aus der Toscana zu, am besten eine Rebe vom Südhang. Die Flaschen finden Sie bestimmt im KaDeWe. Einen Apfel schlägt der Herr Senator zum Nachtisch vor. Gut, dann geben Sie hauchdünne Scheiben vom Apfel in die Pfanne, etwas Butter dazu, einige Rosinen, Zucker. Dann löschen Sie die Scheiben mit Calvados ab! So mag das der Herr Senator. Wenn er auch noch einen Joghurt auf dem Plan setzt, so geben Sie ihm um Gotteswillen keinen Magerjoghurt natur. Sie schlagen ein Ei, geben Sahne dazu, rühren Vanillezucker darunter, geben langsam etwas Yoghurt hinzu, zwei Eßlöffel Preiselbeeren sollten nicht fehlen, und ein kleiner Schuß Grappa sollte unbedingt ….« Hier unterbrach ich den Chefkoch. Mir schwante, daß meine 3,95 Euro nicht ganz reichen werden, um den Herrn Senator angemessen bewirten zu können. Es fehlte ja noch das vorgeschlagene Abendessen, Leberkäse mit Kartoffelsalat, und ein Bier zur Krönung des Tages dazu. Welches Bier sollte ich nehmen, woher sollte der Senf zum Leberkäse stammen?
So blieb der Herr Senator schließlich uneingeladen, und meine Freunde und ich von der Hartz-IV-Fraktion mampften lustlos den vorgeschlagenen Speiseplan des Herrn Senators rauf und runter.
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