Anfang Oktober listete das manager magazin wieder die 500 reichsten Deutschen auf. Das ist alljährliches Ritual, man stützt sich auf Forbes-Daten und konnte jahrelang einen geradezu wuchernden Fortschritt zumindest auf den Konten der Superreichen verkünden. Das Blatt musste in diesem Herbst aber voller Sorge vermerken, dass auch die reichsten Deutschen in den vergangenen Monaten 7,6 Prozent ihres Vermögens eingebüßt hätten. Das könnte beinahe Anlass zur Sorge geben. Die Liste ist sonst ziemlich langweilig. Es sind immer wieder dieselben Namen, die ihren Nektar aus dem Fleiß von Millionen Menschen ziehen, die sich von einer abgehobenen Politikerkaste mit Dusch- und Strickpulloverratschlägen dummkommen lassen müssen. Ein paar kleine Verschiebungen gibt es aber doch, die aufhorchen lassen sollten.
Die Anzahl der Superreichen hat zugenommen. Weltweit gab es zu Beginn des Jahres 2022 nach Oxfam-Angaben 2755 Milliardäre. Die konnten ihr Vermögen seit 2021 (!) um fünf von 8,6 auf 13,8 Billionen US-$ steigern. Diese Entwicklung dürfte die Ungleichgewichtung der Vermögensverteilung auf der Erde noch verschärft haben – nach den Zahlen der Credit Suisse verfügten 2020 1,1 Prozent der Weltbevölkerung über 46 Prozent allen Vermögens auf dem Planeten. 55 Prozent hingegen über insgesamt 1,3 Prozent aller Vermögenswerte, also de facto über nichts. Das entspricht der aktuellen Vermögensverteilung in Deutschland. Nach dem Monatsbericht der Bundesbank vom Juli 2022 verfügen die oberen zehn Prozent der Vermögenbesitzenden über rund 50 Prozent der Nettovermögen in der Bundesrepublik, die untere Hälfte über knapp 1,2 Prozent. Und wie sieht das konkret aus? 2020 gab es in Deutschland noch 189 Vermögensmilliardäre, sind es jetzt 212. Die ersten 25 Plätze im Ranking verfügen nach Forbes Magazine über 266,1 Mrd. US-$. 2021 teilten sich alle 213 Milliardäre insgesamt 722 Mrd. Dollar. Auch unter den Reichen gibt es also soziale Differenzierungsprozesse vom Feinsten. Was ist da passiert? Ich beschränke mich auf die Spitzengruppe.
Auf Platz 1 [alle folgenden Angaben Euro – G.H.] stehen nicht mehr die BMW-Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt, die rangieren jetzt mit 33,3 Mrd. (2019: 30,3) auf Platz 3. Ihr bescheidener Vermögenszuwachs ist zu geringfügig. Möglicherweise wird sich das im laufenden Jahr wieder ändern. Der Konzerngewinn steigerte sich in den letzten Monaten beträchtlich. Ganz anderen Zuwachs kann man bei einem anderen Autoschrauber registrieren, der Familie Porsche (Hans-Michael Piëch und Wolfgang Porsche) die von 13,5 (2020) auf 22,5 Mrd. klettern konnten. Das reicht zwar nur für Platz 7, erklärt aber hinreichend, weshalb der Börsengang des Unternehmens am 29. September geradezu orgiastisch gefeiert wurde. Hier konnte man live sehen, was wirklich „spätrömische Dekadenz“ (Guido Westerwelle) ist. Die haben den Rachen noch lange nicht voll. Luxusautomobile werden auch in Zukunft gekauft, merkte man im September hinsichtlich der gegenwärtigen Krise an. Luxusgüter scheinen sowieso „in“ zu sein. Das könnte auch Familie Reimann bestätigen, der gehört mehrheitlich die JAB Holding Company mit Sitz in Luxemburg. Zu den JAB-Geschäftsfeldern gehören Genussmittel, „Beauty & Luxury“, auch Veterinärkliniken für Haustiere. 2012 darbten die JAB-Eigner noch mit rund 11 Mrd., jetzt nehmen sie mit 34 Mrd. Platz 2 der Rankingliste ein.
Wie von vielen erwartet, gehören zu den größten Gewinnern der letzten Monate die Pharma-Produzenten. 1986 gründeten die Zwillingsbrüder Andreas und Thomas Strüngmann die Firma Hexal. Kaum beachtet wurde seinerzeit ihre vergleichsweise bescheidene (180 Mio.) Beteiligung bei der Biontech-Gründung in Mainz 2008. 2020 verfügten die Brüder jeweils über 5,5 Mrd., dann kamen die Auswirkungen des Biontech-Impfstoffes gegen Covid-19: Jetzt bringen die Pharma-Zwillinge jeweils 14,8 Mrd. auf die Waage. Nur Platz 9 und 10… Dafür steht ein anderer Apotheker auf Platz 4 der Liste. Der Familie gehört heute noch das Stammhaus, die 1668 gegründete Engelapotheke in Darmstadt. Heute verfügen die Mercks (Merck KgaA) über ein Vermögen von 31,5 Mrd., 2020 waren es nur 21,5 Mrd. Euro.
Auch nicht unerwartet gehören zu den Krisen-Gewinnern der letzten zwei Jahre die Handelsriesen. Auch hier sind die größten in Familienhänden. Theo Albrecht jun. samt Familie Babette Albrecht (Aldi Nord) steigerten ihr Vermögen von 17,4 Mrd. (2020) auf 22,5 Mrd., das reicht für Platz 8 im Ranking. Platz 5 hingegen belegen die über Aldi Süd verbundenen Familien Albrecht und Heister. Die konnten „zielstrebig, konsequent und sparsam“ – wie die Süddeutsche Zeitung 2018 über einen ARD-Schmachtfetzen über das Geheimnis des Aufstieges der Aldi-Brüder lobhudelte – auf ihre 23 Mrd. des Jahres 2020 weitere 3,5 Mrd. dazulegen.
Absoluter Spitzenreiter ist aber Dieter Schwarz aus Heilbronn. Dem gehören Kaufland und Lidl, mithin ein Vermögensbestand im Wert von 36 Mrd. Euro. Aber das ganze Zeug muss ja auch irgendwie an die Kunden. Der Logistiker Klaus-Michael Kühne (Kühne + Nagel, seit April 2022 gehören ihm 10,01 Prozent der Lufthansa) steigerte trotz gestiegener Spritkosten sein Vermögen von 13,5 Mrd. (2020) auf 24,5 Mrd. in diesem Jahr. Das ist Platz sechs. Wobei man sich streiten kann, ob er überhaupt noch auf die deutsche Liste gehört. Prof. Kühne – wegen der Verdienste um Hamburg, meinte der dortige Senat – ist zwar noch deutscher Staatsbürger, der Hauptwohnsitz und praktischerweise auch die Firmenzentrale befinden sich inzwischen im Kanton Schwyz. Sicherlich nur wegen der schöneren Landschaft. Das Alte Land ist gar zu platt.
Am 28. Oktober verkündete der Bundespräsident an das Volk: „Jeder muss beitragen, wo er kann. Und diese Krise verlangt, dass wir wieder lernen, uns zu bescheiden.“
Na, da darf man doch gespannt sein …
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