von Heinz W. Konrad
Daß Gott von Zeit zu Zeit über die Welt schwebt, um nachzuschauen, wie es in seiner Schöpfung denn so zugehe, läßt sich zwar nicht beweisen. Aber es läßt sich ebenso wenig handfest widerlegen wie die Existenz des HERRN überhaupt. Also: Gott macht mal wieder eine Inspektionstour und sieht Dietmar Bartsch mißmutig am Berliner Spreeufer stehen.
Voller Empathie gesellt ER sich zu dem Bundesgeschäftsführer der Linken und befragt ihn nach den Gründen seines Kummers. »Ach«, klagt Bartsch ihm daraufhin, »jetzt geht’s im Westen endlich voran, da halten die anderen uns schon wieder die Mauer vor und nennen uns SED. Vielleicht sind wir doch die falsche Partei für dieses Land …« Da legt Gott ihm begütigend die Hand auf die Schulter. »Lieber Dietmar«, sagt er, »beruhige Dich. Ihr macht das doch gar nicht schlecht. So etwas braucht einfach Geduld. Ihr Genossen wart doch im Glauben schon immer stark. Nicht zuletzt deshalb zähle ich euch Roten zu meinen stärksten Bataillonen. Also glaube mir auch diesmal: Es wird schon werden. Ex oriente lux! – Mehr darf ich aber wegen meiner Neutralitätsverpflichtung nicht sagen«, merkt er augenzwinkernd an. Da hellt sich Bartschens Miene auf, er reckt das Kinn kampfeslustig nach vorn, winkt dem Davonschwebenden dankbar nach und macht sich mit neuem Mut auf seinen Unterwanderweg.
Nur wenig weiter wird ER eines ähnlichen Bildes ansichtig. Hubertus Heil ringt zwar um Fassung, aber zusehends neigt der SPD-Generalsekretär zu einem Weinkrampf. »Münte hatte es gut«, flüstert er tonlos. »Der konnte diesen Posten einfach hinschmeißen und hat dann auf Parteichef gemacht. Ich aber habe nichts anderes gelernt und gebe nur den Grüßaugust der SPD.« »Aber, aber«, streichelt Gott die Seele des Hubertus, »vergiß nicht, daß es unter allen Augusts auch den Starken gab. Das kannst Du immer noch werden. Außerdem, bei mir im Himmel munkelt man, daß Beck es am Ende auch nicht packen wird …«. »Heil sei dem Tag, an dem du mir erschienen …«, stimmt da der SPD-General ermutigt an und stürmt zurück ins Willy-Brandt-Haus, bevor der Schöpfer abheben kann.
Das lohnt aber gar nicht, denn unweit stiert auch Dirk Niebel geistesabwesend in das hauptstädtische Gewässer. »Ach«, sagt der FDP-Generalsekretär, als der HERR sich auch bei ihm nach dem Warum erkundigt, »wir Liberalen kommen nicht aus dem Arsch. Wir wollten längst drittstärkste Partei sein und liegen noch immer hinter den Linken und den Grünen. Und alle hacken auf mir rum und sagen, ich wäre im Vergleich zu Guido eine Null«. »D as stimmt schon«, murmelt Gott und fügt sofort an, daß er ja nicht der einzige seiner Partei und seiner Ranges wäre, auf den das zuträfe, und daß das letzte Wort über die Rolle der Liberalen noch nicht gesprochen sei – jedenfalls nicht, bevor Friedrich März zu ihnen übertreten wird. Niebel winkt glücklich mit seinem gelben Taschentuch, bis der HERR optisch eins wird mit seinem Zuhause, dem Himmel.
Aber siehe, eine weitere Tragik läßt den Schöpfer neuerlich an das Spreeufer zurückkehren. Claudia Roth wirkt gar zu suizidentschlossen, als daß er es mit seinem guten Ruf vereinbaren kann, ihr Klagen wissentlich zu übersehen. »Ach«, so hyperventiliert sie in ihre zerknautschte Mütze, «alle messen mich an Joschka. Dabei bin ich als Frohnatur ein viel größerer Sympathieträger als dieser karrieregrüne Junge«. »Na ja, Claudia«, beschwichtigt Gott die bunte Grüne väterlich, »mir ist meine Schöpfung zugegebenermaßen ein wenig patriarchalisch geraten. Aber ich arbeite dran, hörst Du. Was Joseph – Joschka – Fischer kann, kannst Du auch, ich weiß das genau.« Claudia Roth wirft sich erleichtert an des HERRN Chemisette und sieht dann ihren Tröster mit verklärtem Blick entschwinden.
Die Verzweiflung, in der Gott nur wenig weiter Ronald Pofalla und Christine Haderthauer vorfindet, ist gar zu offenkundig, um ausgerechnet die Christen ignorieren zu können. »HERR«, quetscht der CDU-Generalsekretär unter seinem streng-korrekt gezogenen Scheitel atemlos heraus, »wir führen zwar klar in den Umfragen, aber alle sagen, ich wäre doof. Manche bezeichnen mich sogar als Generalprekretär und als vorauseilenden Gehorsam der Kanzlerin. Das stimmt doch aber gar nicht, oder?« »Und HERR«, zittert es aus Christine Haderthauers Mund, »meinen Vorgänger, den Söder Markus, hat man wenigstens noch als Hämorrhoide im Schließmuskel meiner blauweißen Obrigkeit bezeichnet – was sicher gemein war; aber über mich redet außerhalb Bayerns Grenzen gar niemand. Ich werde nicht einmal beleidigt.« Da legt Gott die Arme um beider schmale Schultern und weint hemmungslos mit.
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