25. Jahrgang | Nummer 11 | 23. Mai 2022

Upupa, der Schöne

von Renate Hoffmann

Wäre er nicht der Auserwählte des Jahres 2022 geworden, so wüsste ich nicht, wer sich hinter dem seltsamen Wesen in Goethes West-Östlichem Divan verbirgt: „O selig ward mir! Im Lande wandl ich / Wo Hudhud über den Weg läuft. / Des alten Meeres Muscheln / Im Stein sucht ich die versteinten, / Hudhud lief einher / Die Krone entfaltend. / Stolzierte, neckischer Art, / Über das Tote scherzend / Der Lebendge […]“ (aus „Gruß“) An anderer Stelle spricht Hudhud, der Rätselhafte, höchst selbst: „[…] mit einem Blicke / Hat sie alles mir vertraut, / Und ich bin von eurem Glücke / Immer wie ichs war erbaut […]“ (aus „Hudhud sprach“)

Hudhud, der Liebesbote. Ein Vogel. Farbenprächtig anzusehen, wenn man ihn sieht. Denn in unseren Breiten ist er selten geworden. – Goethe klärt auf und knüpft an die Zeilen aus dem „Gruß“ an: „ Hudhud, sagt ich, fürwahr!/ Ein schöner Vogel bist du. / Eile doch, Wiedehopf! / Eile der Geliebten / Zu verkünden daß ich ihr / Ewig angehöre. / Hast du doch auch / Zwischen Salomo / Und Sabas Königin / Ehmals den Kuppler gemacht!“ – Wenn dem wirklich so war, dann ist die Wahl des Wiedehopfs zum Vogel des Jahres rundum gerechtfertigt.

Der Gewählte misst vom langen Schnabel bis zur Schwanzspitze etwa 28 Zentimeter. Seine Flügel tragen eine auffallende schwarz-weiße Bänderung und darin, als kecken Blickfang, gelbe Einschlüsse. Die eigentliche Attraktion aber ist eine Federhaube, die entweder elegant zurückgelegt oder in Erregungszuständen fächerartig aufgestellt werden kann. Dann gleicht der Schöne einem Vogel mit indianischem Kopfschmuck. Das vornehme Rostbraun des Körpers unterstreicht die dekorative Zeichnung der Flügel. – Ein bunter Himmelsbewohner, der im Taumelflug durch die Lüfte tanzt.

Stimmt der Wiedehopf seinen Gesang an, so klingt er dunkel und dumpf. Man hört ein unverkennbares „Upupup“ und dazwischen, bei unliebsamer Störung, ein, dem Häherschrei ähnelndes Krächzen. Die dunklen Töne verhalfen dem Vogel zur wissenschaftlichen Bezeichnung Upupa epops. – Wie sich herausstellt, kennt man im arabisch/persischen Sprachgebrauch den Wiedehopf als „Hudhud“; in Anlehnung an die Geschichte von Salomo und der Königin von Saba auch als Salomonvogel (persisch: morgh- e Soleymān) bezeichnet.

Im Deutschen sind die Namen „Puvogel“ und „Hoppevogel“ bekannt. Der letztere Begriff mit einer gewissen Symbolhaftigkeit für den Tagesanbruch gefiel Joseph von Eichendorff. Er nahm den Wiedehopf in seine Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts“ als Weckruf auf und ließ den sorglosen jungen Mann erzählen: „So ging ich in den kleinen Garten am Hause dicht unter die Fenster, wo die Herren wohnten […] sang fröhlichen Mutes: ‚Wenn der Hoppevogel schreit, / Ist der Tag / nicht mehr weit,‘ / Wenn die Sonne sich auftut / Schmeckt der Schlaf noch so gut!‘ Das Fenster war offen, aber es blieb alles still, nur der Nachtwind ging durch die Weinranken, die sich in das Fenster streckten […].“ Der Puvogel im Licht der Romantik.

So schön wie er ist, der Wiedehopf, so bescheiden sind seine Ansprüche an den Lebensraum. Er bevorzugt trockene, warme, spärlich bewachsene Gebiete, lichte Wälder (Kiefernbestände) und Weideflächen. Was ihn etwas in Verruf brachte, ist ein übel riechendes Sekret, welches er bei Bedrohung durch Feinde aus der Bürzeldrüse absondert. Ältere Nestlinge lassen sich nichts gefallen und spritzen Eindringlingen ihren Kot entgegen. Unfein, aber wirksam.

Das in Buntheit brillierende Habit des Vogels inspirierte die Poeten. Aristophanes erhob ihn in seiner Dichtung „Die Vögel“ zu ihrem König. Achim von Arnim nannte ihn in einer Redewendung. Im Volkslied von der „Vogelhochzeit“ wirkt er mit. Und Robert Bernhardt betrauerte das mögliche Verschwinden des Upupa: „Fehlte der Wiedehopf, / fehlte noch mehr: / fehlte ein steter Ruf, / fehlte ein rascher Flug, / […] fehlte dieses / ganz einzigartig / mitreißend Fremde, / fehlte dies Anderssein, […].“

Wie dem auch sei, ich gratuliere dem Vogel des Jahres 2022 zu seiner Wahl: 

Der Wiedehopf mit seinem Wiedeschopf
und den klugen Kulleraugen,
die zur Liebesbotschaft taugen
und in Seelengründe blicken,
Liebende der Welt entrücken.
Schöner Vogel, kehr zurücke,
uns und anderen zum Glücke.