14. Jahrgang | Nummer 15 | 25. Juli 2011

Stippvisite in Storkow

von Manfred Möhring

Umland ist ein viel strapazierter Begriff, wenn es um Ausflüge der Berliner in die schöne Brandenburger Landschaft geht. Fürs Marketing natürlich völlig ungeeignet. Und so werben denn die Reisegebiete rund um Berlin mit vielen blumigen Begriffen um Besucher. Es geht meist um Wasser, Wald und Heidelandschaften. Eines dieser Gebiete ist das Seenland Oder-Spree. Dort befindet sich – in der gleichnamigen märkischen Kleinstadt – die Burg Storkow (Mark).
Die Burg, deren erste urkundliche Erwähnung auf 1209 datiert, bot bis vor wenigen Jahren ein Bild des Jammers: Hauptgebäude – ausgebrannt, Nebengebäude – verfallen. Der Ruinenzustand währte so lange, dass, wie die örtliche Fama zu berichten weiß, die Tatsache der Existenz einer Burg quasi aus dem Gedächtnis der Einheimischen getilgt war. Diverse Versuche der Kommune zu Nachwendezeiten, das Areal zu privatisieren, zu verkaufen, einen Investor dafür an Land zu ziehen, scheiterten. Das führte schließlich zu der Idee, mit öffentlichen Fördermitteln in eigener Regie zu rekonstruieren und zu sanieren.
1998 kam Werner Krumbein als Tourismusmanager nach Storkow. Da war von Burg noch keine Rede, ging’s ausschließlich um Fahrradtourismus. Aber schon ein Jahr später kam Krumbein zu der Burg, wie die Jungfrau zum Kinde, denn zu jedem Fördermittelantrag gehört ein Nutzungskonzept. Und das macht – na klar, der Tourismusmanager. Der schlug, wie in der Stadt zu erfahren ist, insgesamt so gut ein, dass man seinen zunächst auf fünf Jahre veranschlagten Vertrag ein Jahr vor der Zeit entfristete, um den Fachmann nur ja am Ort zu halten.
Die Sanierung in drei Phasen zog sich zehn Jahre hin und kostete 13 Millionen Euro, etwa drei davon brachte die Stadt Storkow selbst auf. Seit 2009 ist das nunmehrige Schmuckstück als Besucherzentrum und Veranstaltungsort komplett. Und Krumbeins Konzept sowie sein Team von inzwischen acht rührigen, engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben dafür gesorgt, dass die Besucherzahlen von wenigen Hundert im Jahre 2001 auf 60.000 im vergangenen Jahr hochschnellten. Tendenz steigend.
Dazu trägt natürlich auch der Sachverhalt bei, dass Stadt und Burg um sich herum all jene Attribute aufweisen, die diesen Landstrich zu einer Erholungsgegend per excellence machen – Wasser, große und kleine Seen, Wald, Kiefernheide und eine große Sanddüne. Sehr praktisch ist dabei, dass die Tourist-Information in der Burg ein echter Anlaufpunkt für alle Fragen der Besucher ist. Ausflugstipps, Zimmervermittlung für die Scharmützelseeregion, Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen, Informationen über den Naturpark Dahme-Heideseen, Rad- und Wanderkarten – alles da.
Das Qualitätsgütesiegel am Eingang kündet vom Bemühen um den Gast und wird von den jungen Frauen dieses Hauses mit unverstellter Freundlichkeit und bisweilen unendlicher Geduld verkörpert. Die Burg selbst erschließt sich mit Hilfe der Ausstellung „Mensch und Natur – eine Zeitreise“. Mittels multimedialer Ausstellungsinszenierungen entdecken die Besucher Fundstücke aus der Eiszeit, erfahren etwas über die formenden Kräfte des Eises und der Schmelzwässer, können „sprechenden Steinen“ zuhören und an Modellen spielerisch nachvollziehen, wie das Wasser sich den Weg durch die Landschaft gesucht hat. Im Dachgeschoss zeigen kleine, mit Liebe zum Detail gestaltete Modelle die regionale Besiedlungsgeschichte, zunächst durch die Germanen, später dann durch die Slawen. Die weitere Geschichte kann in historischen Kartenwerken und in Filmdokumenten durchstöbert werden, die jüngere Periode der Burg wird in einer kleinen Bilder- und Filmschau präsentiert. Der Ausstellungsraum im Erdgeschoss handelt von der heutigen Zeit.
Jeder Lebensraum wird mit vielfältigen, teils interaktiven Angeboten vorgestellt. Kleine Dioramen, Schubladen, Klapptafeln, Duftstationen, Guckis, Hörstationen, Drehscheiben und Vitrinen mit originalen Objekten bieten verschiedene Aktionsmöglichkeiten, um die unterschiedlichen Milieus kennenzulernen. Als Abschluss des Rundgangs oder auch als Auftakt zum Ausstellungsbesuch bietet eine Multivisionsschau einen lebendigen Überblick über die Historie und die heutigen Angebote rund um die Burg Storkow.
Der kesse „Reiseführer“ ist – wen wundert’s – Storki, der Storch, das Wappentier der Stadt. Zwischendurch wandert der Blick über das alte Gemäuer und die neuentworfenen Konstruktionen für Galerie und Dach. Ein Burgcafé mit Konditorei hindert am sofortigen Aufbruch in die gerade beschriebene Landschaft. Geht es dann gestärkt hinaus zu Fuß oder mit dem Fahrrad, gibt es so manches Aha-Erlebnis. Der See, die Düne, der Treidelweg am Kanal – nun entfaltet sich nicht nur die Schönheit der Natur, sondern das Wissen aus der Ausstellung hilft auch beim Begreifen ihrer Entstehung.
Eine Besonderheit der reichlich zu findenden Wiesenflächen ist der Salzweg: Ein Spaziergang von etwa acht Kilometern Länge von der Burg Storkow über Philadelphia (ohne Klimasünden und Kerosingestank!) nach Groß Schauen und zurück nach Storkow. Es geht durch ein Gebiet mit zwei großen Salzwiesen, die Luchwiesen und die Marstallwiesen. Hier leben Pflanzen und Tiere, die sich dem Salzgehalt der feuchten Wiesen angepasst haben. Strand-Aster, Strand-Dreizack oder Erdbeerklee sind nach Vergleich mit den Exemplaren auf den Schautafeln zu erkennen. Von den Aussichtstürmen schweift der Blick über die Heinz-Sielmann-Naturlandschaft Groß Schauener Seen, ein Vogelbrutgebiet und Lebensraum für Fische und Fischotter. Ein Abstecher zu den Fischgaststätten in Köllnitz nahe Groß Schauen bietet sich an. Nahe des Wegs ragen manchmal große braune Tiere aus dem Grün. Wasserbüffel weiden auf den feuchten Böden, halten diese kurz und sorgen damit auch für Futter für Störche und Kraniche.
Wer es eher munterer mag, kann im Storkower MitMachPark Irrlandia die Labyrinthe und Rutschen ausprobieren oder die kuriosen Räder des Tourteufels Didi Senft bestaunen. Man sollte wenigstens eine Übernachtung einplanen, denn die kulturelle Vielfalt der Orte und Bühnen ist zumindest im Sommer erstaunlich. Die Nähe zu Bad Saarow und Wendisch Rietz lässt auch einen Besuch in der SaarowTherme oder der Satama-Sauna als Ergänzung zu. Wer sich das alles vorab mal im weltweiten Web ansehen möchte, findet unter www.storkow.de Termine, Ausflugstipps und Kontaktadressen.