24. Jahrgang | Nummer 22 | 25. Oktober 2021

Rückblick und Vorausschau

von Renate Hoffmann

An einem der letzten Tage der Bundesgartenschau (BUGA) nach Erfurt, der Stadt mit einer großen Vergangenheit, reich an Kunst und Kultur, und seit dem Mittelalter Repräsentant des Pflanzenanbaus. Allen voran und in umfänglichem Maße der Anbau von Waid, der Pflanze zur Gewinnung des hochwertigen Blaufärbemittels (im 17. Jahrhundert abgelöst durch die Einführung von Indigo). Bewährte Gartenbaubetriebe sorgten zunehmend für Züchtung und Anbau eines Blumenflors, der den Ruf der Stadt weit über Thüringens Grenzen hinaustrug. Gemüse und Obst in hoher Qualität und Samenproduktion. – Martin Luther meinte, die zukünftige Entwicklung vorausahnend, die Erfurter seien des Heiligen Römischen Reiches Gärtner.

Der Schriftsteller Karl Emil Franzos schrieb neuzeitlich in einem Reisebericht über die Stadt (1901): „Dass Erfurt eine Gartenstadt ist, in der so an die zehntausend Menschen von der Blumen- und Gemüsezucht leben, merkt man natürlich schon mitten in der Stadt. So auf den Marktplätzen. Schönere Blumen, prächtigeres Obst bietet man nirgendwo in Deutschland feil.“

Folgerichtig begannen die Erfurter ab dem Jahr 1865, sich regelmäßig mit Leistungsschauen vorzustellen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Tradition fortgesetzt. Man nutzte dazu das Gelände der einstigen Festung Cyriaksburg, und gestaltete danach das Terrain für die später stattfindenden internationalen Ausstellungen um.

Nunmehr der egapark (ega = Erfurter Gartenbauausstellung), der 2021 zum Kernstück der BUGA mit ihren verschiedenen Standorten wurde.

Die Tore sind dem großartigen Gartenvergnügen und den Sinnen weit geöffnet. Es duftet, rauscht, blüht in allen Tönen des Regenbogens, einladend zum Schauen. „Das große Blumenbeet“ mit gemessenen 6000 Quadratmetern auf 370 Meter Länge entbietet den schönsten Willkommensgruß. Die Blühfreudigen des ausklingenden Sommers und die des frühen Herbstes stehen dicht beieinander. Dieses außergewöhnliche Zusammenspiel müsste eigentlich, schon seiner Ausdehnung wegen, das Band der Flora heißen, denn ihr wird gehuldigt. – Das Rot des Indischen Blumenrohrs gibt den Ton an. Die Schwarzäugige Susanne (Thunbergia) rankt an Gestellen empor. Kleine Zinnien überbieten sich in ihrer Farbigkeit. Zurückhaltend hingegen, zart aquarellgetönt und ein wenig schüchtern, machen sich die Schmuckkörbchen (Cosmea) bemerkbar. Studentenblumen und die heiteren Husarenknöpfchen sorgen für strahlendes Gelb und Salbei gibt Blau hinzu. Kurzstielige Dahlien verkünden den Herbst. – Seit 1961 erhält dieses Kunstwerk jährlich und jahreszeitlich eine besondere ornamentale Bepflanzung. (Ich stelle mir Anblick und Duftwogen von 150.000 Tulpen, Hyazinthen, Tausendschön und Violen im Frühling vor.)

Dem Oktobernachmittag geschuldet, gehe ich zum „Dahliengarten“. Welche Pracht, welche Formenvielfalt, welches farbige Feuerwerk! Von Sommerblumen begleitet, stehen sie wie Standarten des Herbstes und lassen sich bewundern: bodennah wachsend, hoch aufgerichtet, einfach blühend, anemonenblütig, als Ball-Dahlien, Kaktus-Dahlien, pomponförmig und manches, was von mehr als 250 Sorten an Überraschungen noch zu erwarten sein wird. Man muss sich ermahnen, nicht heimlich einen Strauß zu pflücken.

Vorbei an adeligen Baumgruppen, dem „Staudengarten“, über einen Wasserlauf zur terrassenartig angelegten „Irisschau“ am Südhang des Parkes. Die edle Schwertlilie, beliebtes Motiv der Maler, hat bereits ihre Blühzeit beendet. Es entschädigt der ruhige Blick ins Land. Den „Liliengarten“ umranden weiße Cosmeen, auch er bereitet sich auf den Abschied vor. Im „Rosengarten“ blüht es noch unermüdlich, als wollten die Schönen der dritten Jahreszeit trotzen. Im Rosen-Café des Rosengartens nehme ich eine Rosenbowle.

Zu den Hallen. Das neuerbaute „Urwald-Danakil-Haus“ führt anschaulich ein in die Extremwelten von Wüste (Danakil – Wüste in Äthiopien) und Regenwald. Im sogenannten „Glashaus“ überwältigt die Üppigkeit der Orchideen, und in die „Schauhalle 1“ ist der Herbst eingezogen. Er präsentiert kunstvolle Gestecke aus Chrysanthemen, Gräsern und Zweigen aller Art, die zum Nachahmen anregen. Vor den Eingangstüren, als Attribute der Erntezeit, türmen sich dickbauchige, schmale, große, kleine und ganz kleine Kürbisse.

Vieles wäre noch zu besuchen, doch der Tag neigt ich. Am Haupteingang schmettert eine Blaskapelle den Abgesang, und eine Werbung versichert: „Die BUGA geht – der egapark bleibt!“ Und ebenso seine „unendlichen Möglichkeiten“ der Gartenkunst: Europas größtes saisonabhängig gestaltetes Blumenbeet, Bleibend, besuchens- und sehenswert zu jeder Jahreszeit sind auch die 25 Außenstandorte der BUGA in Thüringen: Freilandschauen, Themengärten, Spezialmärkte, Ausstellungen und nicht zuletzt historische Gärten und Parks aus unterschiedlichen Epochen.

Eine Auswahl: Die Schlossgärten von Dornburg. Unfern von Jena und hoch über der Saale thronend. Drei Schlösser, drei Gärten. Am Alten Schloss liegt der Obstgarten, das Renaissanceschloss umgibt ein Landschaftsgarten, und das Juwel in der Mitte, ein Rokokoschlösschen, mit einer geometrischen Gartenanlage. Rebstöcke an den Steilhängen, und herrliche Ausblicke über das Saaletal.

Der Schlosspark Altenstein (bei Bad Liebenstein). Ehemaliger Sommersitz der Herzöge von Sachsen-Weimar. Der Park gehört zu den größten historischen Anlagen in Thüringen. Im 19. Jahrhundert Umgestaltung des Barockgartens zum Landschaftspark. Hermann Fürst von Pückler-Muskau hatte dabei seine Hand im Spiel. Peter Joseph Lenné, Generaldirektor der Königlichen Gärten in Preußen, regte Veränderungen im Wegenetz an. Johannes Brahms, als Gast des „Theaterherzogs“ Georg II. auf Schloss Altenstein, schrieb an Clara Schumann: „Ich wünschte, […] Du mögest hier an meinem Fenster sitzen, auf meinen Balkon hinausgehen und dann hinaus in den herrlichen Park und Wald.“

Schloss Kochberg – die Dreieinigkeit von Wasserschloss, Park und Liebhabertheater. Etwa 35 Kilometer von Weimar entfernt, nahe Rudolstadt. Gewesener Landsitz der Familie von Stein und häufig von Goethe aufgesucht, um hier seine Freundin Charlotte von Stein zu treffen. „Meine Seele sucht dich in Kochberg und eilt offt zu dir hinüber.“ Er nannte das hohe weiße Haus „Schloss hinter den Bergen.“ Charlottes ältester Sohn Carl von Stein ließ den ursprünglichen Barockgarten in einen Landschaftspark wandeln und einen Teil davon als Obstgarten anlegen. Apfel- und Quittenbäume tragen reichlich Früchte. – Verschlungene Wege geleiten zu einer Turmruine und zur Grotte mit dem Grabdenkmal. Im oberen Park erwartet ein wundersames Blumenparterre. Es gleicht in seiner Schönheit einem Stickmuster. Die Stufen des eleganten Blumentheaters sind bereits herbstlich geleert. Vom Leinwandhäuschen aus wandert das Auge über die liebliche Landschaft aus Feldern und Wald. Im Badesee schwimmen die ersten bunten Blätter. Der Bestand alter Buchen bildet die Zierde des Parks. – Das klassizistische Liebhabertheater wird von Mai bis Oktober bespielt. Kammeroper, Schauspiel in historischer Aufführungspraxis, Lesungen und Konzerte finden hier ein begeistertes Publikum.