Unwissend wollte ich mich in Bad Schmiedeberg nicht der tiefschwarzen, feinstrukturierten, breiigen Masse anvertrauen. Man sagte mir, Anschauung sei die beste Lehre und verwies mich in den Kurpark.
Weiträumig angelegt, mit altem Baumbestand, Schmuckbeeten, lehrreichen Pflanzenabteilungen, einem Rosenquartier, dessen Blütenfülle im Juni erfreuen wird. Und mit drei „Schaumooren“. Noch schlummern sie im ausklingenden Winterschlaf und verbergen ihre Eigenarten. Braune welke Grasnarben, stille Wasserflächen, hier und da verblichene Irisblüten. Kleine Schilder kennzeichnen den Standort von Pflanzen, denen vorerst die Fantasie Farbe und Üppigkeit verleihen muss. Große Tafeln an den „Schaumoor-Becken“ erläutern die Besonderheit des jeweiligen Areals.
Klärender Hinweis für meine Neugier: Moore sind Feuchtgebiete mit unterschiedlicher Wasserzufuhr (von oben oder / und von unten). Sie enthalten wenig Sauerstoff, haben verschiedene Säuregrade, verfügen jedoch über eine, in Biotopen versammelte seltene Flora und Fauna. (Über einer Moosbeerenlücke schwirrt zaghaft die erste Frühjahrsmücke) – Nunmehr gut eingewiesen, gehe ich von Becken zu Becken. Lese, betrachte, staune. Und lerne Vokabeln: Bulten – das sind trockene Torfinseln auf denen Moose, Heidekraut und Moosbeeren gedeihen; Vorsicht, nicht daneben treten, es wird feucht! Schlenken – kleine Bachläufe und Kolken – unregelmäßig geformte tiefe Wasserstellen.
Das Niedermoor liegt müde im Becken Nummer 1. Reich an Pflanzen und von mineralhaltigem Bodenwasser genährt. Jetzt stehen um die kleine Wasserfläche tote Gräser, die sich sanft im Wind bewegen, langstielige braune Rispen und ein kurzwüchsiger Weidenbusch, der schon mit dem zarten Grün winziger Blattknospen drängt. Grasüberwucherte Baumstämme simulieren gefallenes Holz. Welches Blühen sich einstellen wird, wenn die Sonne höher steht, lese ich auf der beigegebenen Tafel: Sumpfdotterblume, Miniatur-Seerose, Wasserdost, Mädesüß und andere. Die kleine Weide heißt Salix rosmarinifolia – welch ein aparter Name.
Im Becken Nummer 2 wird das Hochmoor vorgestellt. Es hat weder Zu- noch Abfluss und wird nur nasser vom Regenwasser! Das saure Milieu und die Nährstoffarmut bedingen eine besondere Vegetation. Den Hauptanteil stellen die wurzellosen Moose. Sie sterben während des Wachstums ab und bilden oft hohe Torfschichten. Das gibt diesem Moor-Typ den Namen und nicht, wie vermutet, die Höhenlage. Doch auch andere Arten haben sich dem Extremstandort angepasst und heißen Grönländischer Sumpfporst, Gagelstrauch, Pfeifengras und Lorbeerrose. – Die Rosmarinheide reckt sich am Gewässer. Und die Rote Schlauchpflanze, die ihre Blattformen trichterartig aufrollt (Saracenia purpurea, die war noch nie da) sorgt im trüben Braun des Hochmoors für einen aufhellenden rostroten Farbtupfer.
Das Kalk-Zwischenmoor im Becken Nummer 3 bildet die Brücke zwischen den anderen beiden Formen. Es baut sich über Kalksteinlagen auf, verfügt über eine florale Vielfalt und wird von nährstoffarmem Bodenwasser gespeist. Es wartet mit seltsamen Namen auf: Sumpfherzblatt, Blauer Tarant und Moorkönig, Simsenlilie, Mehlprimel, Krebsschere und Fieberklee. Aber nirgendwo ein Anflug von Farbigkeit. – Still und abweisend ruht das Kalk-Zwischenmoor im kühlen Nachmittagslicht, als wollte es keines seiner Geheimnisse preisgeben.
Nun lautet die Kardinalfrage: Wie entsteht eigentlich die tiefschwarze, feinstrukturierte, breiige Masse? „Naturmoor, auch als Torf bekannt, besteht aus Pflanzenresten, die unter Luftausschluss in wasserreichen Gebieten nicht vollständig zersetzt werden. Diesen Prozess bezeichnet man als Vertorfung.“ Der Frischtorf wird von groben Bestandteilen befreit, fein zerkleinert und mit „Heilwasser“ gemischt, bis sich die gewünschte Konsistenz einstellt. Sodann folgt die Erwärmung. – „Abgebadetes Moor“ erfährt zur Regeneration eine Lagerung in sogenannten „Moortaschen“. Dort muss es bis zu zehn Jahren verbleiben.
Belehrt und von der Heilkraft überzeugt, lehne ich mich langsam zurück in die schwarze Masse und genieße ihre wohlige Wärme. Durch meinen Halbschlaf geistern Gelbsegge, Blauer Tarant und die Rote Schlauchpflanze; Moorhühner, -schnepfen, -enten; Moor(l)eichen und ein gruseliges Moorgespenst.
Schlagwörter: Bad Schmiedeberg, Moor, Renate Hoffmann