Sven Kohlmeier, SPD-Mann im Berliner Abgeordnetenhaus, Ossi aus Berlin-Kaulsdorf – Sie bestätigen sicher ungewollt alle, aber auch alle Vorurteile des Westens gegenüber uns armen DDR-Sozialisierten. In einem online-Gespräch mit dem Tagesspiegel ließen sie verlauten, dass das Homeoffice für Sie nicht so recht in Frage komme „aufgrund der vielen Aktenberge“, die sich in Ihrer Kanzlei – für nicht-Insider, Sie sind Anwalt und nannten sich einst „Liebling Kaulsdorf“ – aufhäufen. Klar doch, seit 30 Jahren lernen wir arbeiten und schaffen es einfach nicht … Zudem wünschen Sie sich, „dass wir weniger bewerten, was passiert ist“ und mehr darüber sprechen, was noch kommt. Hier bricht sie wieder durch, die gute alte DDR-Schule: „Keine Fehlerdiskussion, bitte! Das nützt nur dem Klassenfeind!“ Denn: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Honecker war einfach nur in der falschen Partei.
Avril Haines, Bidens erste Personalie als US-Präsident – Sie sind des neuen US-Präsidenten erste erfolgreich durch den Senat gebrachte Personalie. Und zwar als Direktorin der US-Nachrichtendienste. Sogar die Republikaner ließen Sie anstandslos passieren. Dazu dürften Ihre bisherigen beruflichen Meriten maßgeblich beigetragen haben. So waren Sie als stellvertretende Chefin des Auslandsgeheimdienstes CIA (2013 bis 2015) damit befasst, „die rechtlichen Grundlagen für die“, wie der Herausgeber der Berliner Zeitung, Michael Maier, mit für deutsche Qualitätsmedien ungewohnt klarer Sprache vermerkte, „Ermordung von Personen zu schaffen, die von den US-Behörden als Terroristen klassifiziert worden waren“. Es ging dabei um völkerrechtswidrige Anschläge mit Drohnen in Drittstaaten, wobei nicht selten auch zahlreiche Zivilisten – darunter Frauen, Kinder, Greise – umgebracht wurden. Sie haben zwar nicht selbst aufs Knöpfchen gedrückt, aber immerhin dafür Sorge getragen, dass die eigentlichen Täter „keine rechtlichen Folgen zu befürchten hatten“. Das prädestinierte Sie geradezu für Ihren neuen Job, sollen Sie doch „die Geheimdienste auf neue Entwicklungen im Krieg gegen den Terror einstellen“. Man darf gespannt sein, was Ihnen als Nächstes einfallen wird!
Franz Grillparzer (1791–1872), Poet und Ratgeber – Für unsere Zeit, in der um jede Stunde und jede Art der (vor allem Bewegungs-)Freiheit oder das Setzen oder das Unterlassen von Stern*chen hie und da erbittert gestritten wird, hinterließen Sie selbstlos diesen dankenswerten Hinweis: „Wollt frei ihr sein, seid erst vernünftig, / Denn, glaubt, nur der Vernünftige ist frei.“
Da wäre frei nach B. Brecht nur noch zu hoffen: Und sie ehrten ihn, indem sie dem Rat folgten und sich also nützten.
Udo Wolf, linker Versicherungsfachmann – Angesichts des wieder einmal drohenden Absturzes Ihrer Partei in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit verkündeten Sie kürzlich in neues deutschland, dass man sich doch um DIE LINKE keine Sorgen machen müsse: „Wir haben immer mit der Absicherung der drei Direktmandate gearbeitet. […] Berlin ist die Sicherungslinie.“ „Dann ist ja gut“, sagte Ronja Räubertochter und steckte fest. Einen Versicherungsvertrag würden wir mit Ihnen jedenfalls nicht abschließen.
Dilek Kalayci, rätselhafte Fehlbesetzung – Am vergangenen Donnerstag erklärten Sie als Gesundheitssenatorin, dass „auch Berlin“, genauer gesagt die Firma Berlin-Chemie, in der Lage sei, den Corona-Impfstoff herzustellen und so die angespannte Marktlage zu entlasten. Die Welt staunte. Noch mehr staunte die angesprochene Firma. Die dementierte sofort. Sie habe noch nicht einmal zum Abfüllen die nötige Technologie und die erforderlichen Mitarbeiter. Sie können lediglich beim „Aufbereiten“ – was auch immer damit gemeint ist – helfen. Jetzt rätselt die Medienwelt, weshalb Sie „aufbereiten“ mit „abfüllen“ und dieses wiederum mit „produzieren“ verwechseln konnten. Die halbe Medienwelt aber nur. Die andere Hälfte rätselt darüber, wie in aller Götter Namen, Sie überhaupt Gesundheitssenatorin werden konnten …
Auf die Idee, sich für Ihren, freundlich gesagt, Fauxpas zu entschuldigen, sind Sie nicht gekommen. Einigermaßen großmäulig erklärten Sie: „Ich respektiere die Situation, wie sie zurzeit ist.“ Frau Kalayci, wir nicht. Wenn Sie auch nur den geringsten Funken Anstand besitzen, treten Sie nach diesem Sahnehäubchen auf der gefüllten Kanne Ihrer Fehlleistungen zurück. Sofort. Am Dienstag tagt wieder der Berliner Senat.
Die Berlin-Chemie AG verfügte übrigens einmal über eine Impfstoffabfüllanlage. Für das Vogelgrippeserum. Die wurde aber 2019 demontiert.
Donald Trump, Gewesener – Um es vorab zu sagen: Mitnichten empfinden wir so etwas wie Mitleid. Sie sind abgewählt worden. Das ist ein normaler Vorgang. Inzwischen wetzen etliche Staatsanwaltschaften zwischen New York und Atlanta die Messer. Angesichts der langen Liste von Vorwürfen – hier sei nur auf The New York Times Magazine verwiesen – wäre auch das ein normaler Vorgang: Bank- und Versicherungsbetrug, Verstoß gegen das Gesetz zur Wahlkampffinanzierung, Erbbetrug, Verleumdung, Behinderung der Justiz, Meineid, Steuerhinterziehung … Niemand stellt dabei die Frage, wie solch ein schlimmer Finger wie Sie überhaupt Präsident werden konnte. Auffällig und unappetitlich ist aber der geradezu fanatische Eifer, mit dem das alles betrieben wird. In dieser winterlichen Zeit erinnert uns dies an Schlittenhunde. Wehe dem Leithund, der im Gespann strauchelt und stürzt!
Ihr Fall (im doppelten Sinne des Wortes) erscheint uns als so grandiose Metapher auf den Zustand dieser Welt, dass er schwerlich glaubwürdig hätte erfunden werden können.
Paul Schreyer, Rechenkünstler – Sie haben auf Ihrer Website multipolar.de quergerechnet. Nun gut, warum nicht. Wir haben uns einfach mal unser altes Unterstufen-Rechenbuch rausgeholt und das da Behauptete mit ihren Ergebnissen verglichen. Können wir uns darauf einigen, dass 100-13,1 gleich 86,9 ist? Jetzt wird’s schwieriger: Das sind mehr als zwei Drittel oder selbst drei Viertel eines Ganzen von hundert? Also ein ziemlich hoher Wert?
Können wir uns darauf einigen, dass eine Menge (pfui, Mengenlehre, das war doch nicht in der Unterstufe!) von 86,9 größer ist als eine von 75,0? Gut. Dann müssen wir uns nur noch darüber klar werden, ob 75,0 (also drei Viertel) mehr sind als 50,0 (die Hälfte). Und das nicht „mit Wahrscheinlichkeit“ – ein Begriff, mit dem Sie gerne argumentieren –, sondern absolut. Nun schieben Sie einigermaßen tollkühn den Schwankungswert 13 Prozent in seinen Auswirkungen irgendwie in den Bereich um die 50 von hundert und kommen dann auf die Idee zu erklären, „dass es durchaus im Rahmen des Wahrscheinlichen liegt, dass alte Menschen ohne Impfstoff sogar besser vor Covid-19 geschützt sein könnten als mit Impfstoff“. Nach Adam Ries: 86,9 wären dann schlechter als 50,0 … Es bebt die Erde rund um Annaberg.
Nun erlauben wir uns den dezenten Hinweis, dass das Mögliche nicht mit dem Wahrscheinlichen, noch dazu dem „durchaus Wahrscheinlichen“, identisch ist. Kein Mensch würde sonst ein Schiff betreten. Man sollte das also nicht verwechseln. Niemand verlangt von Ihnen, sich dem Piekser auszusetzen. Wir kennen aber sehr viele Menschen, die setzen viele Hoffnungen auf eben diesen. Da ist es nachgerade unfair, wenn nicht genügend Haare in der Suppe sind, das eigene Toupet reinzuschmeißen. Fühlen Sie sich gut dabei?
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