21. Jahrgang | Nummer 23 | 5. November 2018

Antworten

Vera Friedländer, Zeitzeugin – Von den Nazis als „Mischling 1. Grades“ zur Ermordung bestimmt, haben Sie die Zeit überlebt, die Sie absichtsvoll nicht „Nationalsozialismus“ nennen. In einer Rede zum Gedenken an die Deportationen der Berliner Juden in die Vernichtungslager haben Sie kürzlich den Grund erklärt: „Das Wort lenkt von der Unmenschlichkeit des Systems ab. Es war ein Werbewort der Nazis, um die Massen zu gewinnen, die sich unter Sozialismus etwas Erstrebenswertes vorstellten. Sie versprachen ihnen einen ,nationalen Sozialismus‘. Das war Betrug. Die Nation führten sie in den Krieg und den Sozialismus bekämpften sie. Leider verwendet heute fast jeder in unserem Land das Wort, als sei es gesellschaftlich vorgeschrieben. Ich ziehe es vor, das System mit dem Wort zu bezeichnen, das international üblich ist: Faschismus, deutscher Faschismus.“ Dem haben wir nichts hinzuzufügen außer dem Dank dafür, dass Sie daran erinnert haben.

Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbandes IVD – „In den Metropolen kann sich eine Mehrheit der Mieter das gehobene Segment nicht mehr leisten – und weicht auf das mittlere Wohnsegment aus oder gleich auf Kleinstädte rund um die Ballungsräume. Mit anderen Worten: Teure Wohnungen gibt es mehr als genug. Es fehlt bezahlbarer Wohnraum. Und der dürfte sogar in den Umlandgemeinden bald knapp werden“, haben Sie eine unübersehbare Entwicklung bestätigt , die ein Beitrag der Welt, indem Sie so zitiert worden sind, mit der Überschrift versieht: „Jetzt erreicht der Mietpreisboom die Provinz“. Nicht, dass dieses Bild falsch wäre, einen Haken hat es aber wohl doch – es suggeriert, dass die unsägliche, weil menschenrechtsfeindliche Mietpreispolitik etwas ähnliches ist wie irgendein fatalistisch hinzunehmendes Naturereignis und nicht Menschenwerk wäre. Da das indes offenkundig nicht der Fall ist, macht es die Frage immer dringlicher, wie lange sich das politische Gemeinwesen dies ohne kräftige Gegenwehr gefallen lässt, zumal die – vermutlich – gut gemeinte Mietpreisbremse nicht funktioniert.

Alexander Neu, MdB der Linkspartei – Sie haben das aktuelle Großmanöver in Norwegen als eine einzige Provokation und Drohgebärde gegenüber Russland qualifiziert. Russland hätte momentan weder die materiellen noch die finanziellen und auch nicht die personellen Fähigkeiten, um die Nato überhaupt erfolgreich angreifen zu können. Welchen Sinn es machen sollte, die Atomstreitmacht NATO überhaupt via einer Aggression zu einem Krieg etwa gegen einen der baltischen Staaten etwa herauszufordern, erschließt nicht einmal dem, der sich nicht als Freund Putins versteht. NATO-Chef Stoltenberg seinerseits entblödet sich wiederum nicht zu betonen, dass sich das Manöver nicht gegen Russland richte. Bleiben wohl nur die Trolle, die in Norwegen schon seit Menschengedenken ihr Unwesen treiben …

Herbert Diess, VW-Vorstand – Man sollte annehmen, dass jemand, dessen von ihm geleiteter Konzern sich des massiven Betruges an seinen Kunden schuldig gemacht hat, aus Selbstschutzgründen den Kopf einzieht und wenigstens eine Zeit lang die Klappe hält. Nicht so Sie, denn angesichts der drohenden Konsequenzen für den Diesel-Betrug warnen Sie vor weiteren Belastungen für das Unternehmen. Die Folgen von Dieselgate, die Umstellungen auf den neuen, realitätsnäheren Prüfzyklus WLTP und die strengeren Vorschriften beim Ausstoß des Klimagases CO2 könnten, haben Sie wissen lassen, Volkswagen und die gesamte Branche überlasten. „Wir sind es gewohnt, dass das Auto in der Kritik steht. Der jetzige Feldzug gegen die individuelle Mobilität und damit gegen das Auto nimmt jedoch existenzbedrohende Ausmaße an.“ Nun, was die Marktwirtschaft betrifft, so haben wir mal gelernt, dass, wer am Markt weder mit noch ohne Betrug nicht zu bestehen vermag, auf diesem irgendwann nichts mehr zu suchen hätte. Nicht, dass uns dabei das Schicksal der von Ihnen ja immerhin mitbetrogenen Autobauer egal wäre – mit der Schuld auf Ihren Schultern nun aber zu barmen, vermag allemal, Ekelpickel zu aktivieren. „Was immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken“ hat Erich Kästner einst postuliert. Frau Merkel indes nimmt einen ordentlichen Schluck – und erhöht per Nationalgesetz die Ausstoßgrenze. Problem gelöst.

Sawsan Chebli, Berliner Politikerin (SPD) und mal wieder unfreiwillige Skandalnudel – Jetzt haben Sie also Ihr Facebook-Profil deaktiviert, weil die Hassbotschaften (#Uhrengate #Rolex) nicht mehr zu bewältigen seien. Dabei hatte es in der Vergangenheit durchaus zu Recht Kritikwürdiges in Ihrem Agieren gegeben. Legendär waren Ihre Auftritte als Vizesprecherin des Auswärtigen Amtes in der Bundespressekonferenz, bei denen Sie Journalistenfragen durchaus wortreich zu beantworten wussten, ohne in der Sache auch nur das Geringste zu sagen. Dagegen wirkte selbst Steffen Seibert blass! Auch Ihre Bemerkung von 2016, die Scharia (bei Diebstahl: Hand abhacken, bei Ehebruch: steinigen, für Schwule und Alkoholiker: Todesstrafe) sei mit dem Grundgesetz vereinbar, war zumindest grenzwertig.
Doch was Ihnen nun widerfahren ist, schlägt dem Fass tatsächlich die Krone ins Gesicht und versichert Sie unserer uneingeschränkten Solidarität! Ein Foto von 2014, also aus dem Paläolithikum, zeigt Sie mit einer 7300-Euro-Rolex „Datejust 36“ am linken (!) Handgelenk. Allein auf diesen Körperteil zu starren, erfüllt ja schon den Tatbestand der sexuellen Belästigung. Und als ob das nicht genügte, ist in den sozialen Medien ein Shitstorm über Sie hereingebrochen: Da wurde „dringend eine Umbenennung in Raffzahn Chebli“ empfohlen und gehöhnt: „Bei der SPD spielt Geld keine Rolex.“ Die dahinterstehende Denke versuchte die Oberstudienräte- und Höhere-Verwaltungsbeamten-Gazette Die Zeit auf den Punkt zu bringen: „Linke, die dem schönen Leben im falschen frönen, können sich hierzulande auf etwas gefasst machen. Der Brioni-Kanzler Gerhard Schröder wurde für seine teuren Maßanzüge verspottet […].“
Nun ist ja längst bekannt, dass die „sozialen“ Medien alles Mögliche sein mögen, nur nicht sozial. Ihr aktueller Fall zeigt darüber hinaus jedoch mal wieder, wie viel Dummheit auf diesen Strecken unterwegs ist. Denn man muss schon ganz schön dämlich sein, um dem oberen Funktionärskader der SPD, zumal Hartz-IV-Schröder, noch irgendetwas Linkes anzudichten, nur um Ihnen dann auf dieser Basis eine von den billigsten Rolex um die Ohren zu hauen! Doch bekanntermaßen wusste schon Heinrich Heine: „Die Dummheit geht oft Hand in Hand mit Bosheit.“

Heiko Maas, eitler Schwätzer in Anzügen gleichen Namens – Man wusste, was von Ihnen zu erwarten sein würden, als aus Ihrer Antrittsrede im Auswärtigen Amt öffentlich zitiert wurde: „Ich bin nicht – bei allem Respekt – wegen Willy Brandt in die Politik gegangen. Ich bin auch nicht wegen der Friedensbewegung oder der ökologischen Frage in die Politik gegangen. Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen.“
Nach Steinmeier und Gabriel hatte die SPD also nichts Besseres mehr aufzubieten fürs Außenamt als einen – Schwätzer. Wem Auschwitz das Gewissen drückt, der wird sich hüten, dies wie eine Monstranz vor sich herzutragen. Selbst wenn er Hegel nicht gelesen hat. Dem war Gewissen „tiefste innerliche Einsamkeit mit sich, wo alles Äußerliche und alle Beschränktheit verschwunden ist, […] durchgängige Zurückgezogenheit in sich selbst“.
Dergleichen Tiefgang ist Ihre Sache ganz offensichtlich nicht. Umso mehr sind Sie typischer oberer SPD-Amts- und Würdenträger. Das sind bekanntlich Leute, die sich am 12. März 2018 in Sachen Rüstungsexporte in den Koalitionsvertrag schreiben: „Wir werden ab sofort keine Ausfuhren an Länder genehmigen, solange diese unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.“ Die jedoch nur wenige Monate danach, am 30. September, in Gestalt des Vizekanzlers, des Außenministers und weiterer Fachminister im Bundessicherheitsrat trotzdem ein 416,4-Millionen-Euro-Rüstungspaket an Saudi-Arabien, den Hauptkriegsführer im Jemen, durchwinken. Um nur wenige Tage später, nachdem der saudische Geheimdienst einen Regimegegner gefoltert und, zwecks unauffälligerer Entsorgung aus dem saudischen Konsulat in Istanbul, zerstückelt hatte, mit allem Nachdruck zu erklären, dass es nun aber wirklich „keine Grundlage, auf der positive Entscheidungen für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zu treffen sind“ (O-Ton Maas), mehr gäbe.
In unserer Redaktion kursieren Wetten, wie lange die Mindesthaltbarkeitsfrist dieser Erklärung währt.

Larry Pageblank, Pseudonym des Kopfes der Initiative „Fuckoffgoogle“ – Ihre Bewegung hat es geschafft, den geplanten Google-Campus in Kreuzberg zu verhindern. Wir sind zwar nicht sicher, ob das rundum sinnvoll ist, gratulieren aber auf alle Fälle für ihr Engagement des zivilen Widerstandes gegen Gentrifizierung und Vermarktung städtischer Räume. Inwiefern wir Sie zu Ihrem Beitrag der Kultivierung öffentlicher Sprachkultur beglückwünschen können, sind wir noch ein wenig ratlos. Vielleicht könnte er darin bestehen, bei den auf Transparenten ausgedrückten Protesten gegen Google von den üblichen Anglizismen auf die gute alte deutsche Sprache zurückgegriffen zu haben, konnten wir doch ohne die Zuhilfenahme von Wörterbüchern lesen. „Fick Dich, google!“ Von so viel aktivistischer Sprachpflege sind wir jedenfalls allemal beeindruckt.

Henning Venske, galliges kabarettistisches Urgestein – Solche „Polit-Pauker der alten Schule“ (O-Ton Berliner Zeitung) wie Sie, denen Toleranz nur die Verweigerung ist, sich klar für ja oder nein zu entscheiden, sind im politischen Kabarett so ziemlich ausgestorben. Vielleicht geht mit Ihnen, der Sie zurzeit, knapp 80 Lenze zählend, mit Ihrem Abschiedsprogramm „Summa summarum“ durch die Lande touren, ja gerade der letzte dieser Dinosaurier von der Fahne. Sie haben sich selbst mal als „gelernten Misanthropen“ apostrophiert, zum dem man durchaus werden konnte, wenn man miterlebte, was aus vielen 68ern so geworden ist: Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet! Und heute? Weiter mit Pointen gegen die AfD vom Leder ziehen? „Da sollen Jüngere ran.“ Sie haben Ihren bleibenden Beitrag schließlich auch dazu geleistet: AfD – „Adolfs fiese Dumpfbacken“.
Ihre in „Summa summarum“ am meisten unter die Haut gehende Frage ist diese: „Wie viele Kinder müssen eigentlich mit deutschen Waffen in aller Welt umgebracht werden, um einen Arbeitsplatz in Deutschland zu erhalten?“
Nicht nur wegen solcher Fragen werden Sie uns fehlen!