von Rüdiger Loetzer
Dass wir mit der AfD ein „Thema“ haben werden, um es im „IG Metall-Sprech“ zu sagen, war dem Verfasser dieses Aufsatzes und den Verantwortlichen in der IG Metall spätestens Anfang 2016 klar, als die AfD in den Landtagswahlen in Baden-Württemberg in Mannheim ein Direktmandat errang und mit 15,1 Prozent der Stimmen die SPD im „Ländle“ deutlich hinter sich ließ. Seitdem standen – auch und gerade mit Blick auf die nun laufenden Betriebsratswahlen – alle Warnlampen auf rot.
Schon ein halbes Jahr davor hatte sich der neu gewählte Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, klar positioniert, als er die Unternehmen aufforderte, keine Fremdenfeindlichkeit zu dulden. Seine Aufforderung „Wer hetzt, der fliegt“ bezog sich auf den öffentlich wenig bekannten § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes. Darin heißt es: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben darüber zu wachen, dass […] jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung […] oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt.“ In § 104 wird darauf aufbauend geregelt, dass Verstöße dagegen zur „Entfernung“ aus dem Betrieb führen können. So geschehen zum Beispiel in Berlin vor ein paar Jahren, als in einem Autozulieferwerk eine Nazi-Zelle durch Hakenkreuzschmierereien in den Toiletten auffiel. Zwei Personen wurden „dingfest“ gemacht, wie man so sagt, und flogen in gemeinsamer Aktion von Geschäftsführung und Betriebsrat sofort raus.
Es ist schade, dass diese gute Regelung bis heute nur wenig Nachahmung in anderen gesellschaftlichen Bereichen gefunden hat. Und es ist ein bleibender Skandal, dass nur in den Betrieben alle Beschäftigten, gleich welcher Nationalität, selbstverständlich das aktive und passive Wahlrecht zum Betriebsrat haben, während noch immer etwa ein Zehntel aller Erwachsenen – in Großstädten wie Berlin, München, Hamburg, Stuttgart sogar 20 bis 30 Prozent – gar kein Wahlrecht zu irgendeinem Parlament haben.
Mehrere „Risikogebiete“ sahen Hauptamtliche wie Ehrenamtliche in der IG Metall schon Anfang 2016:
Erstens große Konzerne wie Daimler, Airbus, ZF, wo sich angeblich „Unabhängige“ oder „christliche“ Kandidaten bei den Wahlen zum Betriebsrat am ehesten einnisten und antreten. Bei Daimler gibt es traditionell an vielen Standorten „Listenwahlen“, bei denen die IG Metall gegen andere Listen antritt – linke und rechte „Oppositionelle“ ebenso wie „christliche“ Listen von CGM („Christliche Gewerkschaft Metall“) & Co.
Zweitens Konzerne wie Siemens und andere, die zur Schwächung der DGB-Gewerkschaften zum Teil aktiv sogenannte „Unabhängige“ protegieren. Siemens hatte jahrelang eine sogenannte „Aktionsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger“ (AUB) unter Wilhelm Schelsky mit fast 30 Millionen Euro gefördert, die bei Betriebsratswahlen regelmäßig gegen die IG Metall antrat, bis der Schwindel aufflog und Schelsky wegen persönlicher Bereicherung und Betrug ins Gefängnis kam.
Drittens sogenannte „Familienunternehmen“, bei denen der Eigentümer seinen Herr-im Haus-Standpunkt dadurch abzusichern sucht, dass er Tarifverträge und Gewerkschaften vom Unternehmen fernhält und von ihm gesteuerte Betriebsräte installiert. Ein Beispiel dafür ist Heinz Hermann Thiele, Eigentümer von Knorr Bremse und Vossloh, dessen Vermögen Forbes auf 13 Milliarden US-Dollar schätzt. Wer auf Youtube dessen Namen eingibt und als Datum den 2. April 2016, kann sich einen Auftritt dieses Herrn im feinen Münchner Ifo-Institut ansehen. Wer einen Unterschied zu AfD-Positionen findet soll sich gerne melden. Solche „Familienunternehmer“, nicht alle so reich, gibt es nicht wenige in der Republik.
Viertens Betriebe in Ländern wie Sachsen, wo die AfD bei der letzten Bundestagswahl stärkste Partei wurde. Dass das nicht ohne Folgen auf die Stimmung in den Betrieben bleibt, dürfte klar sein. Dabei bedient sich der braune Sumpf so ziemlich aller Methoden – von direkten Attacken auf Gewerkschaftsveranstaltungen, speziell am 1. Mai, über die Gründung sogenannter „Arbeitnehmerflügel“ wie AVA („Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer“ in Nordrhein-Westfalen), AiDA („Interessengemeinschaft der Arbeitnehmer in der AfD“), das Stuttgarter „Zentrum Automobil“ bis hin zum Einsickern als „gute Gewerkschafter“, die über IG Metall-Listen in den Betrieben Fuß zu fassen suchen.
Das Vokabular und die Stereotypen, mit denen dabei „Zentrum“ & Co auftreten, klingt bekannt: „Wir hier unten“ gegen „Die da oben“, Pöbeleien gegen vermeintliche „Mauscheleien“ und „Co-Management“ der „Betriebsratsfürsten“ und „Gewerkschaftsbonzen“ mit dem Management, Auftreten als die angeblich „neue Basisgewerkschaft“, die sich endlich mal für den „kleinen Mann“ einsetzt und so weiter und so fort. Offene Fremdenfeindlichkeit wird selten vorgetragen – die Risiken der schon erwähnten Paragraphen 75 und 104 des Betriebsverfassungsgesetzes sind bekannt.
Eine seriöse Bilanz, wie weit es dem rechten Rand gelungen ist, sich in den Betrieben und Betriebsräten fest zu setzen, kann erst nach Abschluss der Betriebsratswahlen gezogen werden. Allein im Bereich der IG Metall wird in circa 11.000 Betrieben um 78.000 Betriebsratsmandate gekämpft. Erste Ergebnisse aber gibt es schon.
Hier nur in Stichworten:
Bei Daimler sind rechte Listen unter verschiedenen Namen in fast allen Werken im Süden angetreten. In Untertürkheim mit seinen fast 30.000 Beschäftigten erreichte die IG Metall 37 der 47 Sitze im Betriebsrat, drei mehr als bei der letzten Wahl. Das „Zentrum Automobil“, seit 2014 mit 4 Sitzen im Betriebsrat und dieses Mal von Jürgen Elsässer, Compact & Co. gefördert, erreichte nun 6 Sitze, sein Zugewinn ging auf Kosten „unabhängiger“ und „christlicher“ Betriebsräte. Wobei anzumerken ist, dass nicht nur bei Daimler immer wieder auch rechte migrantische Kandidaten und Strömungen auftreten, wie türkische graue Wölfe, die griechische „Morgenröte“ und so weiter. In Rastatt (knapp unter 9.000 Beschäftigte) erreichte die IG Metall 29 der 35 Sitze, das „Zentrum“ 3 Sitze, die „Christen“ flogen raus. In der Daimler-Zentrale errang die IG Metall die Mehrheit im Betriebsrat, das Zentrum bekam keinen Sitz, dafür 3 Unabhängige und 1 Christlicher. Insgesamt sind das beunruhigende Einbrüche, und es ist nur ein schwacher Trost, dass die rechten Ergebnisse bei Daimler schlechter sind als die der AfD bei der Landtagswahl zwei Jahre zuvor.
Bei Porsche in Leipzig versuchen die Rechten ebenfalls Fuß zu fassen, ebenso bei Airbus in Bremen und Siemens in München – mit welchen Ergebnissen, ist noch nicht bekannt.
In Berlin sind dieses Jahr keine rechten Listen in IG Metall-Betrieben aufgetreten, und bisher flogen auch erst zwei oder drei „Unabhängige“ als in der Wolle gefärbte AfD-Kandidaten auf. Hier konnte die AfD sich anscheinend kaum festsetzen.
Wie auch immer die Ergebnisse am Ende ausfallen werden: Die IG Metall wird sie ebenso wie alle anderen DGB-Gewerkschaften auswerten und über Konsequenzen nachdenken müssen. Verharmlosen, bagatellisieren und „einbinden“ als etwas „randständige“ Betriebsräte wird nicht gehen. Das ist unvereinbar mit den antifaschistischen Grundsätzen der Gewerkschaften und auch unvereinbar mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes, der – siehe Artikel 75 Betriebsverfassungsgesetz – auch in den Betrieben wirksam verteidigt werden muss. Es kann sein, dass am Ende eine Art „Unvereinbarkeitsbeschluss“ des nächsten Gewerkschaftstages – bei der IG Metall findet er Ende 2019 statt – stehen muss.
Der Autor ist Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall in Berlin. Beim vorliegenden Text handelt es sich um einen für Das Blättchen überarbeiteten Beitrag aus dem „Rundbrief 1/2018“ der BAG Antifaschismus der Partei DIE LINKE.
Schlagwörter: AfD, Betriebsräte, Betriebsverfassungsgesetz, IG Metall, rechte Listen, Rüdiger Loetzer