von Manfred Orlick
Das Jahr 2017 geht mit Riesenschritten seinem Ende entgegen. Am 31. Oktober endete bereits das Festjahr zum 500. Reformationsjubiläum. Seitdem ist es merkwürdig still geworden um Martin Luther. Gott sei Dank … werden manche sagen. Der Medienrummel in den Wochen und Monaten zuvor war ja kaum noch zu ertragen. Kein Wunder, dass das gefühlte Interesse immer weiter sank. Als ich im Spätsommer zu einer Buchvorstellung – natürlich ein Luther-Titel – war, hatte sich gerade einmal eine Handvoll Zuhörer eingefunden. Die Veranstalterin zuckte nur entschuldigend mit der Schulter: „Die Leute können es scheinbar nicht mehr hören.“
Nun habe ich überhaupt nichts gegen Martin Luther. Beileibe nicht. Schließlich komme ich aus dem Mansfeldischen. Außerdem war der Vorname meines Vaters Martin, und er wurde von seinen Geschwistern stets „Luther“ gerufen. (Dass ich in den 1960er Jahren an der halleschen Martin-Luther-Universität studiert habe, sei nur am Rande erwähnt.)
Bereits zu DDR-Zeiten fand sich in meinem Bücherschrank der eine oder andere Luther-Titel. Da bedurfte es nicht der Bücherschwemme im Vorfeld des Reformationsjubiläums. Trotzdem machte ich mir vor kurzem die Mühe und listete die Neuerscheinungen der letzten Monate zu den Themen Luther und Reformation auf. 95 Titel hatte ich im Visier; doch sehr schnell war diese magische Zahl überschritten. Schließlich warf ich das Handtuch. Dabei hatte ich auf historische Romane, Hörbücher, Kinderbücher oder Kalender verzichtet. Auch rein touristische Titel fanden keine Berücksichtigung. Gerade diese waren ja unüberschaubar – schließlich hatte jede Region, ja jeder Ort in Mitteldeutschland eine Luther-Vergangenheit, die nun kundgetan werden musste. Hieß es früher allerorten „Goethe war hier“, so hatte jetzt der Reformator dem Geheimrat diesen Rang abgelaufen. Meine kühne Behauptung, dass in der Lutherdekade bestimmt über 500 Buchtitel erschienen sind, ist sicherlich nicht übertrieben.
Bei all diesem Reformations-Trubel sind die anderen Jubiläen und Gedenktage des Jahres untergegangen. Hier zur Erinnerung eine kleine Auswahl: 250. Geburtstag Wilhelm von Humboldt, 200. Geburtstag Theodor Storm, 200 Jahre Wartburgfest oder 100 Jahre Oktoberrevolution.
Nun steht das Jahr 2018 vor der Tür – zum Glück nicht mit so einem beherrschenden Jubiläum. Trotzdem sei jetzt schon an eine historische Zäsur im nächsten Jahr erinnert, die in engem Zusammenhang mit der Reformationsbewegung steht: Vor 400 Jahren brach mit dem Dreißigjährigen der bis dato und anschließend für weitere Jahrhunderte verheerendsten Krieg in der europäischen Geschichte aus. Bereits vor Wochen tauchten dazu im Buchhandel die ersten Darstellungen auf – meist dickleibige Wälzer. Wir werden also wieder umfassend informiert.
Ach so … auch den 200. Geburtstag von Karl Marx im kommenden Mai haben die Verlage schon entdeckt und – bisher – mit zwei umfangreichen Biografien vermarktet.
2018 kann also kommen!
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