von Alfons Markuske
„Luther ist die Pleite des Jahres“, titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, denn die Besucheraufkommen bei den zahllosen Reformations- und Luther-Events landauf, landab im deutschen Osten bleiben allenthalben weit hinter den Erwartungen zurück – seien es die Weltausstellung in Wittenberg, der Kirchentag in Berlin, die „Kirchentage auf dem Weg“ oder auch noch die letzte Exposition in Kleinposemuckel, pardon im sächsischen Leisnig, wo zum Jubiläum ein „Lutherzimmer“ eröffnet wurde, das jetzt kaum jemand sehen will.
Dabei hatten Staat, Kirche und private Investoren für das Reformationsjubiläumsjahr nicht gekleckert, sondern geklotzt: Auf allein 50 Millionen Euro beläuft sich das Budget in Wittenberg; Sachsen-Anhalt – im Ranking der Bundesländer nach Bruttoinlandsprodukt immerhin nur Viertletzter – hat etwa 100 Millionen zusammengekratzt, die Berliner Kultur-Staatsministerin hat mehr als 40 Millionen für diverse Projekte dazu gepackt, und die Fördermittel seitens der EU bewegen sich auch nicht auf Peanuts-Level. Ganz zu schweigen von aufwändigen Infrastrukturmaßnahmen, von der Aufhübschung historischer Gebäude, von Werbung und Info-Kampagnen et cetera. Insgesamt summieren sich die Kosten für das Jubeljahr auf – um einen Pseudoanglizismus vergleichbar Handy oder Public Viewing zu gebrauchen – roundabout eine halbe Milliarde Euro.
Und nun kommt keiner!
Na ja, das ist jetzt etwas übertrieben. Aber gemessen an den Erwartungen sind die realen Zuläufe schon dramatisch geringer: Es begann im Mai mit dem Kirchentag in Berlin – statt erhoffter 140.000 Dauerteilnehmer waren es nur 106.000. Klingt natürlich auch nicht wenig. Doch man hatte ja mit den Einnahmen gerechnet. Ebenso ging das Kalkül für den Abschlussgottesdienst des Kirchentages, der in Wittenberg stattfand, in die Hose. Statt der erwarteten bis zu 200.000 Gläubigen machten sich bedeutend weniger auf den Weg. Die Shuttle-Züge von Berlin aus nahmen nach kirchlichen Angaben nur rund 60.000 in Anspruch.
Apropos Wittenberg: Dort sollte eine halbe Million Besucher in den knapp vier Veranstaltungsmonaten zusammenkommen, aber nach den ersten vier Wochen waren es statt 80.000 erst 40.000. Seit Anfang Juli nannte das Organisationsbüro dann freiwillig überhaupt keine Zahlen mehr, auch nicht auf Nachfrage.
Noch schlimmer getroffen hat es die „Kirchentage unterwegs“, die das Jubeljahr auf weitere Pionierstätten der Reformation in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt ausweiten sollten. In Leipzig etwa hatte man die Erwartungen schon präventiv von 50.000 auf 35.000 Teilnehmer gesenkt. Geworden sind es dann 15.000, davon aber nur 7.500 zahlende.
Woran mag das liegen? Haben die Veranstalter unterschätzt, dass Ostdeutschland eine der areligiösesten Regionen weltweit ist? Sind die Programme zu lahm? Der Münchener Theologe Friedrich Wilhelm Graf jedenfalls meint, dass niemand eigens ins abgelegene Wittenberg fahre, um sich auf einer Wiese einen unbekannten Prediger aus der Dritten Welt anzuhören, und wird noch deutlicher: „Ich kann nicht erkennen, was die Kirche mit dem Reformationsjubiläum eigentlich will.“ Beruhten vielleicht die gesamten Planungen auf völlig irrigen Voraussetzungen, so in der Art der Deutschen Zentrale für Tourismus, die die Presse über eine höchst bemerkenswerte Zielgruppenkorrektur informierte: „Bitte beachten Sie bei Ihrer Berichterstattung, dass wir inzwischen eine andere Quelle nutzen und nicht mehr von 800 Millionen, sondern von 400 Millionen Protestanten weltweit sprechen.“ Oder ist jetzt – am Ende der Luther-Dekade, denn die Festivitäten nahmen ja bereits 2007 ihren Anfang – einfach die Luft raus?
Man darf gespannt sein, wie hoch die Defizite infolge fehlender Einnahmen am Ende sein werden, und ob dann noch gilt, was Ulrich Schneider, der Geschäftsführer des Vereins Reformationsjubiläum 2017, vollmundig verkündet hat: Zusätzliches staatliches Geld würde nicht gebraucht.
Angesichts dieser Sachverhalte und Befunde kann man sich abschließend die Überschrift dieses Beitrages nochmal auf der Zunge zergehen lassen – und zwar in anglikanischer Mundart. Wenn man dabei etwas nuschelt …
Schlagwörter: Alfons Markuske, Martin Luther, Reformation