20. Jahrgang | Nummer 14 | 3. Juli 2017

Drei Gründe für eine Urlaubserinnerung

von Manfred Orlick

Vor 25 Jahren … 27. Juni 1992. Letzter Urlaubstag. Abreise. Arrivederci Südtirol! Ein unvergesslicher Urlaub … aus verschiedenen Gründen.
Erstens war es unser erster Urlaub als hallesche „Flachlandtiroler“ in den Alpen. Wanderungen, grüne Almwiesen, markante Gipfel, traumhafte Aussichten und Südtiroler Spezialitäten … jeder Urlaubstag ein einmaliges Erlebnis.
Zweitens war es der erste Urlaub mit dem neuen „Westauto“. Wir hatten nicht zu den Ostdeutschen gehört, die sich gleich nach der Währungsunion eine „Schrottlaube“ zugelegt hatten. Nein, noch bis Ende 1991 waren wir treu und brav mit unserem Trabi unterwegs gewesen. Nur in die Alpen hatten wir uns mit ihm nicht gewagt. Aber das hätte er sicher auch geschafft.
Den dritten, unerwarteten Grund für die bleibenden Erinnerungen sollte schließlich die Abreise bringen. Während des Urlaubs hatten wir keine Passstraße ausgelassen. Bereits bei der Anreise Brennerpass und Jaufenpass, in den nächsten Tagen Gampenpass, Karerpass, Sellajoch und natürlich das Stilfser Joch mit seinen rund 90 Kehren auf beiden Seiten. Das Timmelsjoch hatten wir uns für den Abreisetag reserviert – als krönenden Abschluss. Aber aus dem Fahrspaß wurde nichts. Statt schwungvoller Kurvenfahrt nur Schneckentempo. Schuld waren aber nicht der Rückreiseverkehr sondern einige dänische Fußball-Fans vor uns. Mit einem Autokorso feierten sie ihre Nationalmannschaft, die am Vortag gegen Deutschland den Europameister-Titel gewonnen hatte.
Keine Chance, auf dieser kurvenreichen Strecke zu überholen. Und so mischten wir uns munter in das Hupkonzert mit ein. Nicht aus Wut sondern aus Sympathie, hatten wir doch in den zurückliegenden zwei Wochen den dänischen Kickern stets die Daumen gedrückt. Schließlich waren sie als absolute Außenseiter zur Fußball-Europameisterschaft nach Schweden gefahren. Eigentlich sollten sie gar nicht dabei sein. Erst zehn Tage vor Turnierbeginn wurden sie für Jugoslawien nachnominiert, das trotz erfolgreicher Qualifikation aufgrund des Balkankonfliktes kurzfristig aus dem Turnier genommen wurde.
Noch wird das Seemannsgarn erzählt, dass die Dänen quasi „in Badelatschen vom Urlaubsstrand weg nach Schweden“ geholt wurden. Improvisation lautete nun die Devise und Spaß war das Motto. Viele sahen in ihnen schon die Lachnummer des Turniers. Trotzdem oder gerade deshalb nahm das dänische Fußball-Märchen seinen Lauf. Obwohl nur acht Tage Vorbereitungszeit blieben, wurden sie hinter dem Gastgeber Gruppenzweiter und schalteten dabei solche Fußballnationen wie Frankreich und England aus. Im Halbfinale setzte man sich im Elfmeterschießen gegen den Titelverteidiger und Favoriten Niederlande durch. Dann, am 26. Juni 1992; im Göteborger Ullevi-Stadion das Finale gegen den amtierenden Weltmeister Deutschland … und der Fußballzwerg gewann eindrucksvoll mit 2:0. Die Helden des Spiels, wie Torhüter Schmeichel oder die Spieler Larsen, Vilfort, Povlsen und Laudrup sind für echte Fußball-Fans noch heute ein Begriff.
Um diesen sensationellen Erfolg rankten sich zahlreiche Anekdoten, die von den Medien dankbar aufgegriffen wurden. So soll der dänische Trainer Möller-Nielsen seine Spieler vor dem geschichtsträchtigen Finale in ein Fast-Food-Restaurant geschickt haben. Die Story von der „Big-Mac-Truppe“, die den Weltmeister bezwang, war geboren.
Trotz der Enttäuschung über die Niederlage haben selbst viele deutsche Fans dem kleinen Nachbarland diesen Erfolg gegönnt. Und wir leisteten unseren Beitrag mit einem Hupkonzert auf dem Timmelsjoch.
Anschließend musste man zwölf Jahre warten, bis wieder ein Außenseiter Fußball-Europameister wurde: 2004 Griechenland unter Trainer Otto Rehhagel, liebevoll König Rehakles genannt.
Wieder ein Dutzend Jahre später spielte Island die Außenreiterrolle, doch der „Europameister der Herzen“ scheiterte schon im Viertelfinale.
Und bei der Weltmeisterschaft im nächsten Jahr?
Ich drücke ganz fest die Daumen für Liechtenstein oder San Marino!
Und dann garantiert wieder ein Hupkonzert.