von Henryk Goldberg
Uff. Das ist ja mal ne gute Nachricht: Im Jahr 2015 nahm die Zahl der Sterbefälle in Deutschland wieder leicht zu. Um 6,5 Prozent auf 925 .200. Gott sei Dank! Wenigstens aus Sicht des Bundesverbandes Bestattungsbedarf. So sagen sie es nicht, aber aus ihrer Pressemitteilung sprechen doch schon ganz schöne Sorgen. Nicht, dass nicht mehr gestorben würde, so schlimm ist es nicht, aber die Leute machen, was sie wollen, bis zum Schluss.
Nicht dass die Branche, nun ja, vom Tode bedroht wäre, eher im Gegenteil: Denn „die gesunkene Zahl der Sterbefälle in der Vergangenheit kann man unter anderem mit der besseren medizinischen Versorgung, einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein und daraus resultierend einer höheren Lebenserwartung erklären“. Das sind so Probleme eines Wirtschaftszweiges, da machen wir normal Sterblichen uns gar keine Gedanken. Aber nur Mut, denn nun „kehrt sich dieser Effekt wieder um, da jetzt auch die sehr viel älter gewordenen Generationen versterben“.
Das ist natürlich gut, aber kein Grund zur Entwarnung. Denn trotz dieser zum Glück wieder zunehmenden Zahl an „Endkunden“ gibt es einen traurigen Rückgang der inländischen Sargproduktion. Weil, die Sargimporte nehmen zu. Will sagen, immer mehr Deutsche lassen sich, wenn überhaupt, in fremdländischen Särgen beerdigen. Aber deutsche Erde haben wollen, das haben wir gern!
Es ging deshalb nämlich „die Produktionsmenge der deutschen Sarghersteller… von 2010 bis 2015 deutlich um 21,7 Prozent auf 116. 741 Särge zurück“, klagt der todtraurige Bundesverband Bestattungsbedarf. Jetzt ahne ich auch, warum Horst W., der Bestatter meines Vertrauens, immer so gut gelaunt ist, ich vermute, er kauft preiswert ein. Sollte er jetzt eine Gegendarstellung beantragen: Abgelehnt! Dabei berücksichtigen die Preisdrücker nicht die Folgen, denn „der entsprechende Produktionswert reduzierte sich um 31,6 Prozent auf 20,03 Millionen Euro“. Und damit nicht genug: „Im ersten Halbjahr 2016 sank die Produktionsmenge der deutschen Sarghersteller im Vorjahresvergleich um weitere 7,6 Prozent auf 57. 399 Särge … Dieser Trend wird sich sicherlich auch in den kommenden Jahren fortsetzen und verstärken.“
Ich gebʼ Ihnen das hier so weiter, liebe Leser, liebe Endkunden, damit Sie künftig nicht einfach so gedankenlos vor sich hinsterben. Und vielleicht, wenn Sie deutsch sind und deutsch denken bis zum letzten Atemzug, dann bitten Sie doch Ihre künftigen Hinterbleibenden um einen deutschen Sarg. Denn wir konstatieren „einen Preisverfall bei deutschen Bestattungsprodukten“. Und zwar können „Insbesondere in Osteuropa … Särge zu wesentlich geringeren Produktionskosten hergestellt werden als in Deutschland“. Schuld, heißt es, ist „eine ungerechte Subventionspolitik der Europäischen Union“. Vermutlich sind die Briten ausgestiegen, weil sie keine Lust haben, in polnischen oder bulgarischen Särgen das Ende der Zeiten zu erwarten. Ganz ehrlich, ich stelle mir den Aufenthalt in westeuropäischer Wertarbeit auch komfortabler vor. Ich meine, ich schufte mich doch nicht zu Tode, um dann in so einem miesen Produkt zu liegen. Und wenn das Leben etwas anders gelaufen wäre, mein Vater war ein Pole, und ich wäre in Zdunska Wola zu Hause, ehrlich, ich hätte auch keine Lust auf den einheimischen Mist. Ich würde sparen bis meine Zloty reichten für einen „Made in Germany“. Reicht ja schon, wenn die Maden „Made in Poland“ wären.
Aber das ist noch nicht alles. Es „zeigt sich ein bedauerlicher gesellschaftlicher Trend, der durch preisaggressive ausländische Produkte befeuert wird: Wir sehen einen Wettlauf um eine immer günstigere Bestattung, die der Bedeutung des Sterbens nicht gerecht wird, und wir dürfen die Ehrung unserer Toten nicht dem nackten Ringen um Euros unterordnen.“ Wir dürfen das, fügen wir hinzu, vor allem nicht, wenn es um die Euros der Hersteller echt deutschen Bestattungsbedarfes geht. Das wird, wie richtig gesagt wurde, der Bedeutung des Sterbens nicht gerecht, vor allem nicht der Bedeutung des Sterbens für die Bestattungsbedarfhersteller. Denn „Unsere deutschen Produzenten … stehen für hochwertige Produkte und eine Bestattungskultur, die ein würdiges Andenken an unsere Toten bewahrt“. Recht hat der Mann. Ich meine, es gibt Leute, die würden dieses ausländische Zeugs noch nicht mal ihrem verstorbenen Meerschweinchen zumuten.
Vermutlich ist das Märchen vom Schneewittchen ein Traum für den Bundesverband Bestattungsbedarf. Die hatte einen edlen Sarg, teures, deutsches Glas. Und nach der apfelbasierten Auferstehung war er leer und konnte ein zweites Mal verkauft werden. Das waren noch Zeiten. Aber weil sie schon gestorben ist, trauern die Sargmacher noch heute.
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