von Renate Hoffmann
„Liebe Nachwelt! Wenn Ihr nicht gerechter, friedlicher und überhaupt vernünftiger sein werdet, als wir sind bezw. gewesen sind, so soll Euch der Teufel holen.“ A.E. – Holt uns nun der Teufel oder gönnt er uns noch eine Atempause?
Erdrückt von der Denkleistung eines Naturwissenschaftlers, der als „Jahrhundertgenie“ gilt, sucht man begehbare Wege, um ihm näher zu kommen. Nach wie vor bietet die persönliche Äußerung, ob im Gespräch, in Briefen, Niederschriften, die beste Aussicht auf Annäherung. Ich fand sie in einer Sammlung von Einsteins Zitaten, Einfällen und Gedanken. – Beruhigende Einsicht am Ende der Lektüre: Albert Einstein (1879-1955), ein Mensch mit Schwächen und Vorzügen, die in jedem von uns wohnen. Uns fehlt nur die Genialität.
Einsteins Überlegungen umkreisen, im Sinne des Wortes, Gott und die Welt und was dazwischen liegt. Zum Beispiel die Formel E = mc². Masse und Energie sind äquivalent. Meine Vorstellungskraft versagt kläglich. – Was jedoch die Relativitätstheorie anlangt, so gibt A.E. bei Nachfragen von Laien und lästigen Reportern Hilfestellung: „Eine Stunde mit einem hübschen Mädchen vergeht wie eine Minute, aber eine Minute auf einem heißen Ofen scheint eine Stunde zu dauern.“
Er fragt sich: „Woher kommt es, daß mich niemand versteht und jeder mag?“ Und wundert sich darüber, dass bei ihm „jeder Piepser zum Trompetensolo“ transponiert wird. Nach Idealen befragt, nennt er: „Güte, Schönheit und Wahrheit.“ Ergänzend beschreibt der Einundsiebzigjährige sein Lebensgefühl: „Ich freue mich meiner späten Tage, hab mir den Humor bewahrt und nehme weder mich selbst noch andere wichtig.“
Der Humor, oftmals spöttelnd, gehört zu seinem Wesen. – An den Schokoladenfabrikanten Manners schreibt er aus gegebenem Anlass: „Ich bewundere Ihre praktische Lebensweisheit. Denn um des günstigen Respons der Menschen möglichst sicher zu sein, ist es besser, ihrem Magen etwas zu bieten, als ihrem Gehirn.“ – Und wenn sich die ihm zugesandten Manuskripte zu Bergen türmten, beauftragte Albert E. seine Sekretärin, an die Adressaten folgendes Antwortschreiben zu richten: „Professor Einstein bittet Sie, bezüglich Ihrer Publikationen einstweilen so zu handeln, wie wenn er tot wäre.“ Als die Berufung nach Berlin, der Stadt, an die er sich gebunden fühlte, anstand (etwa 1912), bemerkte A.E.: „Die Herren Berliner spekulieren mit mir wie mit einem prämierten Leghuhn. Aber ich weiß nicht, ob ich noch Eier legen kann.“
Von Albert Einsteins hohem Tabakverbrauch weiß man, aber nicht, wie er diesen begründete: „Pfeifenrauchen trägt zu einem einigermaßen objektiven und gelassenen Urteil über menschliche Angelegenheiten bei.“ – Ebenso bekannt ist wohl, dass „einer der größten theoretischen Physiker“, wie Max Born (1882-1970) ihn beschreibt, keine Socken trug. Selbst dann nicht, als ihn Mr. Franklin D. Roosevelt (1882-1945) ins Weiße Haus einlud. Auch dafür hatte er eine plausible Erklärung: „Als ich jung war, fand ich heraus, daß die große Zehe immer die Angewohnheit hat, ein Loch in die Socke zu machen: Und so habe ich aufgehört, Socken zu tragen.“
Die alltäglichen Bedürfnisse gestalteten sich für ihn einfach; er lebe „fettlos, fleischlos, fischlos dahin“ und fühle sich ganz wohl dabei. Und vor die Wahl gestellt, entweder gut zu essen oder gut zu schlafen, entscheidet er sich für den guten Schlaf. Wohl gewählt. Wenn da nicht sein „unglaublich lautes“ Schnarchen gewesen wäre. Diese umweltfeindliche Attacke verriet Elsa Einstein, seine zweite Frau.
Mit der Bescheidenheit, die aus der Erkenntnis des Nichtwissens bei zunehmendem Wissen erwächst, schreibt Albert Einstein: „Übrigens weiß ich ganz genau, daß ich selber gar keine besondere Begabung habe. Neugier, Besessenheit und sture Ausdauer, verbunden mit Selbstkritik haben mich zu meinen Gedanken gebracht.“ Diese selbstkritische Haltung befähigte ihn zu einem Geständnis, das ihn wahrscheinlich nach 1945 bis zu seinem Lebensende nicht mehr losließ: „Ich habe in meinem Leben einen großen Fehler gemacht – als ich den Brief an Präsident Roosevelt unterzeichnete, in dem ich mich für den Bau der Atombombe aussprach.“
Krieg. Die unmenschlichste aller menschlichen Verhaltensweisen erfüllte A.E. mit Abscheu: Und er sagte (mit Kurt Tucholskys Meinung übereinstimmend): „Töten im Krieg ist nach meiner Auffassung um nichts besser als gewöhnlicher Mord.“ – Bereits 1933 ahnte er die Katastrophe, die sich mit Hitlers Machantritt anbahnte. Zwei Jahre später gab er eine klare Einschätzung des Mannes: „Da erschien in Hitler einer von den Armen im Geiste, unbrauchbar für jegliche Arbeit, erfüllt von Neid und Erbitterung gegen alle, die von Natur und Schicksal mehr begünstigt erschienen als er … Solche verzweifelten Existenzen las er auf der Straße und im Wirtshaus auf, scharte sie um sich. So wurde er zum Politiker.“
Im Jahr 1952 lässt man bei Einstein anfragen, ob er die zweite Präsidentschaft Israels annehmen würde. Das brachte David Ben-Gurion (1886-1973), den ersten israelischen Ministerpräsidenten, zu der skeptischen Überlegung: „Was sollen wir tun, wenn Einstein annimmt? Dann haben wir die größten Schwierigkeiten.“ Das war nicht abwegig gedacht. A.E. äußerte im internen Kreis: „Wenn ich Präsident wäre, würde ich dem israelischen Volk manchmal Dinge sagen müssen, die die Menschen nicht gern hören würden.“ Unter anderem: „Unsere Haltung zu unserer arabischen Minderheit ist der wahre Prüfstein unseres moralischen Standards.“
Aus der Vielzahl von Einsteins fachlichen, sozialen, politischen und privaten Verbindungen ergibt sich eine Fülle interessanter Gedanken. Er über Andere. Andere über ihn. Marie Skłodowska Curie (1867-1934): „Ich hatte Gelegenheit, die Klarheit seines Geistes, die Weite seiner Sachkenntnisse und die Tiefe seines Wissens zu würdigen.“ Einstein gedenkt ihrer mit Respekt: „Sie war von einer Stärke und Lauterkeit des Willens, von einer Härte gegen sich selbst, von einer Objektivität und Unbestechlichkeit des Urteils, die selten in einem Menschen vereinigt sind.“ Die lebende Marie bedachte er etwa respektloser: „Frau Curie ist sehr intelligent, aber eine Häringsseele, das heißt arm an jeglicher Freude und Schmerz.“
Für Mahatma Gandhi (1869-1948) hegte Albert E. größte Hochachtung: „Einer der der Brutalität der Europäer die Würde wahrer Menschlichkeit entgegen gestellt hat und dabei stets der Überlegene geblieben ist.“ – George Bernard Shaw (1856-1950) ließ A.E. bestellen, dass er seine Bewunderung für ihn nicht überzeugender beweisen könne als dadurch, dass sein Porträt das einzige berühmter Leute sei, für das er bezahlt habe. Einstein bemerkte hierzu: „Das ist typisch für Bernard Shaw, der erklärt hat, daß Geld in dieser Welt das Allerwichtigste ist.“
Bertrand Russell (1972-1970) krönt alle Aussagen: „Einstein war nicht nur der fähigste Wissenschaftler seiner Generation, er war auch – und das ist durchaus nicht dasselbe – ein Weiser.“ – Und was tat der „Weise“, wenn er sich an einem Problem festgedacht hatte? Er nahm „Lina“, seine Geige, zur Hand und spielte. Vornehmlich in der gekachelten Küche, weil es dort gut klang: „Zuerst improvisiere ich, wenn das nicht hilft, suche ich Trost bei Mozart. Aber wenn sich beim Improvisieren doch ein Weg anbietet, brauche ich Bachs klare Konstruktionen, um meine Gedanken weiterzuführen.“
Ihm glaubt man die Erkenntnis: „Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle. Es ist das Grundgefühl, das an der Wiege von wahrer Kunst und Wissenschaft steht. Wer sich nicht mehr wundern, nicht mehr staunen kann, der ist sozusagen tot und sein Auge erloschen.“ …
Das Buch basiert auf einem exakten Quellennachweis. Es enthält Bibliographie, Zeittafel und ist mit Fotos versehen. – Lesenswert. Nachdenkenswert.
Albert Einstein: Einstein sagt; Zitate, Einfälle, Gedanken. Herausgegeben von Alice Calaprice, Piper Verlag, Taschenbuchsonderausgabe 2015; 320 Seiten, 9,99 Euro.
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