18. Jahrgang | Nummer 2 | 19. Januar 2015

Erste notwendige Antworten

Unser Mitgefühl ist bei den Opfern des Pariser Terroranschlags vom 6. Januar, bei ihren Verwandten und Freunden, denen ein unersetzlicher Verlust zugefügt wurde.
Wir verneigen uns in Trauer vor den toten Kollegen von Charlie Hebdo, für die der Kampf gegen religiösen Fundamentalismus und Fanatismus, egal aus welcher Ecke, gegen diese Krebsgeschwüre am Leib jeder freiheitlichen Gesellschaft, selbstverständlich war.
Die Überlebenden von Charlie Hebdo haben mit ihrer Entscheidung, ihr Magazin am vergangenen Mittwoch mit einer Auflage von einer Million Exemplaren auszuliefern (Standardauflage: 60.000), eine der notwendigen Antworten an die Adresse der Attentäter und ihrer geistigen Komplizen jedweder Couleur und ihre kaum minder radikalisierten Antipoden in der rechtspopulistischen Ecke gegeben. Diese lautet: „Ihr könnt uns töten. Aber Stimmen wie unsere zum Schweigen bringen, könnt Ihr nicht!“
Eine andere notwendige Antwort, die seit dem 6. Januar wiederholt formuliert wurde, ist der Verweis darauf, dass in Frankreich wie auch in Deutschland jeweils Millionen von Muslimen leben, die ganz überwiegend genauso durchschnittliche, also normale Zeitgenossen, Nachbarn, Kollegen, Vereinsmitglieder et cetera wie die meisten ihrer „einheimischen“ Mitbürger sind. An dieser Wahrheit werden auch verblendete Killer nichts ändern.
Der Anschlag von Paris galt außer der Redaktion von Charlie Hebdo zugleich grundsätzlich dem westlichen Gesellschaftsmodell, insbesondere der Presse- und Meinungsfreiheit. Die ist in ihrer konkreten Ausformung ebenso wenig perfekt, wie die Form von Demokratie insgesamt, in der wir leben. Dies wird im Blättchen auch künftig immer wieder kritisch thematisiert werden. Heute ist es uns allerdings ein Bedürfnis, an Worte von Arthur Koestler aus dem Jahre 1944 zu erinnern: „Unter der Drohung totalitärer Ideologien […] erscheinen die verfallenden Werte des Westens in einem neuen, Sehnsucht weckenden Licht. […] Die Freiheit der Person, der Rede, die bürgerlichen Rechte, die Achtung vor dem Einzelleben, die ungeschriebenen Gesetze über ein gewisses Minimum anständigen Verhaltens – wie schal und lächerlich erschienen sie zu einer Zeit, als die Utopie in Reichweite zu sein schien, und wie verzweifelt wichtig sind sie jetzt, da wir mit dem Rücken gegen die Wand stehen. Das Tragische ist, daß nur diejenigen, die die Qual der Erstickung erfahren haben, wissen, was Sauerstoff bedeutet […] Die Atmosphäre der Demokratie ist ein flauer Nebel geworden, und es kann von denen, die ihn atmen, nicht erwartet werden, daß sie noch dankbar sein sollen für die Luft, die sie enthält. Ein Kennzeichen der westlichen Zivilisation ist, daß sie aufgehört hat, der Werte gewiß zu sein, die ihr verlorenzugehen drohen.“
Koestler stellte im Anschluss die Frage: „Wie können diese Werte wieder belebt werden?“ Und er gab diese Antwort: „Die traditionellen Werte können nur durch die Kräfte des Fortschritts wieder belebt werden.“
Auch dieses Zitat ist – im aktuellen Kontext – eine notwendige Antwort auf den Anschlag von Paris.

Margit van Ham
Wolfgang Brauer
Detlef-Diethard Pries
Wolfgang Schwarz (V.i.S.d.P.)