von Katharina Kaaden
Der Kalender vermeldete den Geburtstag meines Freundes A., also hob ich den Hörer ab, um vorzusprechen. Besetzt. Ich wollte schon auflegen, als die freundliche Automatenstimme der Telekom erklang, die mich fragte, ob ich das Dienstmerkmal wahrnehmen und mit dem Anschluss verbunden werden wolle, sobald die Leitung frei sei. Mit dieser im Grunde erfreulichen Serviceleistung war ich schon das eine oder andere Mal gut gefahren und wartete auf die alles entscheidende Frage: „Möchten Sie mit dem Teilnehmer verbunden werden, dann antworten Sie mit Ja.“ Sie kam aber nicht, stattdessen brach die Ansage ab, und es ertönte ein Besetztzeichen. Hm, na, wird schon klappen. Ich legte auf und wandte mich anderen Dingen zu. Eine Minute später: Es klingelt. Ich nehme den Hörer ab und höre nichts. „Hallo?“ frage ich zögerlich. Nichts, stattdessen ertönt ein Besetztzeichen. Ich lege auf. 20 Sekunden später – es klingelt. The same procedure: bei Anruf Besetztzeichen.
Mir schwillt der Kamm, und ich beschließe, beim nächsten Klingeln nicht mehr abzunehmen. Es klingelt. Ich nehme nicht ab und schicke einen tückischen Blick aufs Telefon. Ha, nun sieh mal zu… Da ich nicht abnehme, springt ordnungsgemäß mein Anrufbeantworter an und ich höre mich meinen Text ansagen, der zum Üblichen die unlängst erfolgte Änderung meines Nachnamens verkündet: „Wenn Sie den Anschluss X haben wollten, dann sind sie im Prinzip richtig, nur, dass er jetzt Y heißt. Ansonsten ist alles beim alten: Sie sprechen nach dem Piepton, und ich rufe zurück, sobald es mir möglich ist. Danke.“ Ein Besetztzeichen piept mir über die mögliche Aufzeichnungsdauer das Band voll, unterbrochen von meiner Finalaufzeichnung „Danke für Ihren Anruf“. Ruhe. Ich atme auf. 20 Sekunden später klingelt es erneut, ich versuche nochmals, dem abgenommenen Hörer ein Geräusch oder ein Freizeichen zu entlocken, aber alles wiederholt sich wie gehabt. Rote Hörertaste – und zurück ins Bett! Du kannst mich mal! Es klingelt, ich verweigere mich, der Anrufbeantworter springt an. „Wenn Sie den Anschluss X haben wollten …“ Alles wiederholt sich gefühlte 20-mal. Ich bin längst aus dem Zimmer geflohen und überlege, während ich hektisch mit irgendeinem Feudel Dinge zu säubern beginne, die mir vorher – angestaubt – völlig schnurz waren, wann in etwa der AB voll sein wird. Ich greife zum Hörer und versuche jemanden anzurufen, um diesen unseligen Kreislauf zu durchbrechen. Alle drei Anschlüsse, die ich anrufe, sind besetzt und ich weiß nicht, ob mein Anschluss nun endgültig spinnt oder die Kontaktierten tatsächlich telefonieren. Ich schreibe eine Mail an das Geburtstagskind, dass ich ihn um baldmöglichsten Rückruf bitte, weil … Ich will doch nur gratulieeeeeren! Ich sitze und starre, weiß nicht, was tun. Es klingelt. „Hallo?“ Besetzt. Ich rufe die vierte Freundin an, sie nimmt ab. Aufatmen! „Thea, bitte hilf mir! Ruf! Mich! An!“ „Warum, du rufst mich doch grad an?!“ Ich hechle – leicht hysterisch – den ganzen Vorgang durch die Leitung. Leider kann ich nicht alle Besetztzeichen intonieren, um die ganze Dramatik zu verdeutlichen. „Ich verstehe“, sagt Freundin Thea, „leg auf, ich ruf zurück.“ Es klingelt. „Thea?!“ Das Besetztzeichen ist dran. Ich drücke den roten Hörer und schmeiße den Hörer in sein Bett. Was kann ich noch tun? Fenster putzen, die Wohnung verlassen, Einkaufen gehen, aus dem Fenster springen oder einfach den Stecker ziehen? Es klingelt. Sollte ich …? Es könnte Thea sein. Kurz vorm Anspringen des AB’s drücke ich den grünen Hörer. „Hallo?“ hauche ich. Es ertönt ein Freizeichen. Wie wunderbar, die Geburtstagsleitung ist endlich frei! Allerdings klingt das Freizeichen wie Theas Anschluss mit der Faxweiche, wenn die sich erst überlegen muss, was sie weiterzumelden hat. Thea nimmt ab: „Wieso rufst’n du mich an, ich wollte doch. Aber bei dir war immer besetzt.“ „Thea, es ist mir unheimlich. Ich weiß nicht, weshalb du jetzt dran bist, ich habe Dich nicht angerufen, wirklich nicht. Ich glaube, es war das Dienstmerkmal. Allerdings sollte es Freund A. anrufen. Der scheint aber nicht da zu sein. Und da hat es sich vielleicht gedacht … Ich glaube, es hört mit.“ „Sag mal, ist alles in Ordnung?“
„Ja. Das heißt, nein. Es ist nur … Aber Danke für deine Hilfe.“ „Wieso, ich hab ja gar nichts gemacht. Ist wirklich alles in Ordnung?“ Ich weiß es nicht. Aber nachdem ich das Telefonat mit Thea beendet hatte, gab mein Telefon Ruhe. Bis eben. Da begann es wieder zu läuten. Ich glaub, ich geh erst mal einkaufen.
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