von Thomas Behlert
Im Osten existieren drei Songs, die bei den Radiohörern auf dem Index stehen und trotzdem von den Provinzsendern des MDR immer noch fleißig, und zu den fiesesten Zeiten, gespielt werden. Es sind Liedlein aus längst vergangener Zeit: das unsägliche und an bekloppte Tage erinnernde „Jugendliebe“, als man in finsteren Hausfluren rumknutschte und dann doch etwas Besseres fand; das äußerst schmalzige und voller Pomade gestöhnte „Als ich fortging“ und dieses jammervolle Geigenspecial „Am Fenster“, das irgendwann einmal in Griechenland bekannt war und bis auf 25 Minuten aufgeblasen wurde.
Die Interpreten dazu erfreuen sich leider halbwegs bester Gesundheit und machen, was viel schlimmer ist, immer noch Musik. Alben werden ebenfalls zusammengebastelt. Wie es aber so ist, im knallharten und von den „Oststars“ bejammerten Kapitalismus, sollte man seine Fans (sic!) immer mit neuem Kram überraschen und wenigstens einen Hit mitliefern. Wem nun allerdings gar nichts einfällt, der präsentiert zum Jahresende ein Album mit altem Zeugs, singt live oder covert schwulstige „Welthits“ bis zum Erbrechen. Und das genau haben all die Ostjodler gemacht, die die Säle in Wurzen, Kleinmachnow oder Leinefelde füllen.
Die Glatzkopfbande City, die an eine Musikmafia erinnert und mit ihrem Song voraus sagte, wo Ostdeutsche sich jetzt so auffallen: „Am Fenster“, hat all ihren längst vergessenen Popscheiß zusammengesucht, den Stecker gezogen und eine billige Kamera laufen lassen. „Danke Engel – Unplugged“ heißt das Wunderwerk und „führt ihre rockmusikalische Tradition unter Berücksichtigung aktueller Elemente weiter. Die Kompositionen zeichnen sich durch überschaubare Ideen aus, sie sind gekennzeichnet durch differenzierte Lautstärkenbehandlung und häufigen Wechsel energisch akzentuierter und herb-lyrischer Melodik“. Diese geschwafelten Sätze aus dem „Rocklexikon der DDR 1983“ (VEB Lied der Zeit) hat City heute noch verdient.
Dirk Michaelis, von dem wir hofften, dass er für immer fortging, kommt mit einem Nachsingalbum („Singt Welthits deutsch – Nr.2“) zurück und packt auf die schlimmen Melodien schlimmer Künstler eigene schlimme Texte. Angeblich wollten es seine Fans (Welcher der drei hat Schuld?), dass er die Lieder von Richard Marx, Mark Knopfler, Take That und R.E.M. zu einem breiigen Ganzen verarbeitet und mit viel Gefühlsduselei über Wind, Liebe und heimliche Triebe singt. Für die Verarbeitung von Tom Pettys „Learning To Fly“ zu „Ohne Flügel im Wind“ bitte 40 Stockhiebe beim Autor abholen.
Die Frau, die früher mal ihre Achselhaare sehr modisch auf dem Kopf trug und nach ihrer Flucht die Gäste auf „Traumschiffen“ mit Gesang und Gitarre ständig an die Reeling trieb, hat sich nun einen Sänger aus dem Westen geangelt, um mit ihm Schlager über „Spuren von uns“ zu trällern. In Thüringen, der Heimat Ute Freudenbergs, ist die Musik egal, aber man will wissen, ob sie nach der Trennung von ihrem Mann nun schon mit diesem Lais …na, sie wissen schon, knack, knack… Wenn ja: Lieber Gott (wahlweise auch: Parteivorsitzender), lass keine Kinder kommen.
Damit ist aber leider im Osten noch lange nicht Schluss, denn die uralten Karat nahmen ihre schwülstigen Lieder gemeinsam mit einem philharmonischen Orchester in Feindesland auf. Nun trieft der alte Kram aus allen Ecken, die Schleimspur reicht über sieben Brücken bis hin zum Schwanenkönig, der sich Albatros nennt und jede Stunde prima reihert.
Irgendwie lebt auch noch Wolfgang Ziegler, der im vergangenen Jahr verzweifelt seine Tochter auf die Bühne zerrte, um mit ihr „Verdammt“ zu schmettern, den einzigen Hit, den der Wolfgang nun in allen Shows trällert, wenn er denn mal eingeladen werden sollte. Jetzt legt er nach. Nach „Verdammt – Best Of 30“, „Hits – verdammt gut“ und „Verdammte Hits“ landet die Doppel-CD „Verdammt – Best Of“ in den Schnäppchenboxen der Billigmärkte.
Sillys neues Live-Brimborium ist ganz ohne Bums, verdammt (hihihi) abgeflacht und voller Gitarrengefrickel. Außerdem hätte man auf Anna Loos‘ Labersätze verzichten sollen. Dieses ständige: „Hey, ihr seid ein geiles Publikum“, „toll hier zu sein“ oder „Wahnsinn“ wurde bei Nena abgeschaut und kommt genauso nervig rüber. Die gelbe Tonne würde man mit dem Album beschmutzen.
Und als Zugabe hat die elektronische Kapelle Pond, die in den 1980er Jahren aus Unwissenheit die schlechten Alben von John Michael Jarre und Tangerine Dream kopierte, ihren „Reißer“ „Planetenwind“ mit „Am Fenster“ gekoppelt. Warum, will man hier gar nicht wissen.
Bringt mir einen Kübel, ich denke er wird jetzt voll.
Brüll, Spei, Rülps.
Schlagwörter: City, Dirk Michaelis, Ostrock, Pond, Silly, Thomas Behlert, Ute Freudenberg, Wolfgang Ziegler