von Ulrike Krenzlin
Kleopatra kennt jeder. Allein im 20. Jahrhundert sind über sie zweiundzwanzig Filme gedreht worden. Das Interesse an Kleopatra VII. läuft ungebrochen weiter. Die Bonner Ausstellung ist ihr unter dem Titel „ Die ewige Diva“ gewidmet. Nach allem Vorausgegangenen sorgen die Veranstalter für den Ewigkeitsanspruch der ägyptischen Königin. Das unterlegen sie nicht etwa mit der Präsentation archäologischer Artefakte, auch nicht mit neuen Thesen über ihr Leben wie den Selbstmord, über die Schlacht bei Actium, über die Perlengeschichte oder über die Morde an ihren Kindern aus der Verbindung mit Caesar und Marc Anton. Ebenso wenig stehen im Focus ihre politische Karriere als Alleinherrscherin in Ägypten, als „Königin der Könige“ über den Vorderen Orient. Zu allen diesen Aspekten liegen neue Forschungsergebnisse der Archäologie und Forensik vor.
Sie war die letzte Königin der Ptolemäer – Dynastie, die vom vergangenen Glanz der altorientalischen Kultur zehrte ebenso wie vom multikulturellen Weltreich, das Alexander der Große an den Nahtstellen zwischen den Kontinenten Europa, Asien und Afrika zusammengefügt hatte. Die schwache Monarchie Ägypten ist im 1. Jahrhundert vor Christi schon lange Spielball der römischen res publica gewesen. Nur im Bündnis mit Rom kann Ägypten zur Zeit Kleopatras auf der Bühne der Geschichte agieren.
Was man über Kleopatra wissen sollte, was Gegenstand der 160 Ausstellungs-Exponate ist, erfährt man nicht. Kleopatra VII. (69 bis 30 v. Chr.) wird in Alexandria geboren mit der Muttersprache Griechisch. Die Tochter Ptolemaios XII. regiert mit den Brüdern, verliert an diese ihren Herrschaftsanspruch über Ägypten. In ihr Leben treten nacheinander drei mächtige römische Staatsmänner. Gaius Julius Cäsar zieht 48 v. Chr. in Alexandria ein, errichtet für Kleopatra die Alleinherrschaft über Ägypten. Zwischen beiden beginnt ein Liebesverhältnis, gemeinsamer Sohn ist Ptolemaios Caesarion, mit dem sie zwei Jahre in Rom lebt. Nach dem Tyrannenmord an Caesar kehrt sie zurück nach Ägypten. Kleopatra trifft Marcus Antonius (Triumvir für den Osten des Römischen Reiches) in Tarsos, wird Geliebte und Verbündete für dessen Ostpolitik. Dieser erhebt Kleopatra zur „Königin der Könige“ über den Vorderen Orient. Octavian (Triumvir für den Westen des Reiches) führt 31 v. Chr. in der Seeschlacht bei Actium die Niederlage Marc Antons herbei. Alexandria wird römisch erobert. Marc Anton (1. August) und Kleopatra (12. August) verüben 30 v. Chr. Selbstmord. Ihre drei Söhne müssen die Bühne der Geschichte verlassen.
Was bleibt also für die Aussteller, um das Interesse an Kleopatra zu befriedigen? In ihrem Fall gibt die Nach- und Rezeptionsgeschichte das meiste her. So meinen es die Veranstalter. Die Hieroglyphik weist keinerlei Berichte über Kleopatra auf. Deswegen braucht man auch nicht die Ägyptologie. Alles über Kleopatra begann mit der römischen Geschichtsschreibung. Das Römerbild neigt jedoch zur negativen Sicht auf eine Barbarin und Kurtisane, allerdings mit Achtung vor ihrem Mut. So beschreiben sie die augustäischen Autoren Horaz, Plutarch und Properz. Mit der renovatio der Antike ab 1500 in Italien haben bildende Künstler, Dichter und Musiker Bilder von dieser Frau überhaupt erst erfunden. Um 1607 hebt Shakespeare mit seinem Stück „Antonius und Kleopatra“ das Paar künstlerisch auf die Höhe der Zeit. Der Römer Antonius und die Griechin in Ägypten werden zum neuzeitlichen Liebespaar mit allen Höhen und Tiefen. Richard Wagners „Tristan und Isolde“ übertreffen erst viel später Liebesleidenschaft und Tragik. Keiner jedoch hat Kleopatra je verführerischer dargestellt als der Malerfürst Hans Makart im Jahr 1875. Ihr Einzug in die europäische Historienmalerei, Literatur und Opernwelt ist zweifellos unerhört spannend.
Was aber fasziniert nun an den Inszenierungen von Kleopatra in der Kunst? Sie tritt uns entgegen als eine überaus schöne, anziehende und mutige Frau, der die Gratwanderung gelang zwischen ihrer Doppelrolle als Königin und Priesterin, der neuen „Isis“, einer Auserwählten, die im Gottesauftrag zu den Menschen spricht. Sie setzt ihren Herrschaftsanspruch durch, führt ein selbstbestimmtes Leben, das bis zum Tod begleitet war von leidenschaftlicher Liebe, zuerst zu dem 30 Jahre älteren Julius Caesar, danach zum jüngeren römischen Triumvir Marc Anton. Das Kalkül des römischen Alleinherrschers Cäsar zwischen Krieg und Liebe fiel im Fall Ägyptens zugunsten der Liebe zu Kleopatra aus. Marc Anton nutzte Kleopatras Seemacht mit 1.000.000 Soldaten gegen Octavian. Octavian konnte den Ägyptern die Versorgung abschneiden. Daher unterlag Marc Anton. Er wählte den Freitod.
Die Geheimnisse von Kleopatras Erfolgen geben Rätsel auf. Sie war damals die reichste Frau der Welt. Ihre Jugend sprach für sie. Sie verfügte über herrschergleiche Tapferkeit. Nach der verlorenen Schlacht bei Actium 31 v. Chr. entschied sich die 39-Jährige in auswegloser Situation für den Freitod durch Schlangenbiss am 12. August 30 v. Chr. Sie war in Alexandria in ihrem Palast eingesperrt zur Überführung nach Rom durch Octavian, den Nachfolger Marc Antons. Dieser Version von Plutarch folgte die abendländische Kunst. Der tödliche Biss von der göttlichen Kobra ziemt sich für eine Königin. Jedoch erfolgt der Tod durch Ersticken nur langsam.
Aber es gibt, um nur einen Fall zu nennen, zu diesem Punkt neuere Forschungen von Toxikologen mit der These, dass die Gefangene Octavians mit zwei Dienerinnen an einem Trunk aus Schierling (Alcaloid Coniin) und Eisenhut gestorben sein könnte. Weil der Tod durch die hochgiftigen Pflanzen schneller eintritt als mit dem Schlangebiss. Der Todeskampf kann mehrere Tage dauern. Mit dem Schierlingsbecher schläft man ein und stirbt. Seit alters her beherrschen Priesterinnen die Kunst, Tränke zur Heilung, Aphrodisierung und für den Tod herzustellen. Jedoch geht die Ausstellung dieser Frage regelrecht aus dem Weg.
Jede andere ähnlich spannende Frage zum Leben der Königin, das die archäologische Wissenschaft akribisch erforscht, bleibt auch im Katalog ausgespart zugunsten einer reinen Rezeptionsgeschichte.
Diese kann zur Falle werden, weil es unmöglich ist, sie von der Römerzeit über die Renaissance, den Barock, das 19. und 20. Jahrhundert wissenschaftlich ausreichend aufzubereiten, wenn dafür nicht außergewöhnlich viel Zeit und Geld zur Verfügung stehen. Das war hier nicht der Fall. Der Katalog hat einige interessante Aufsätze. Ansonsten ist er eine ungeordnete Bildersammlung. Was das Schlimmste daran ist: Es gibt keine ikonographischen Bildtexte. Das ästhetische Erlebnis der Ausstellung stimmt jedoch.
Kleopatra. Die ewige Diva, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland Bonn, bis 6. Oktober 2013, Dienstag bis Mittwoch 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 10.00 bis 19.00 Uhr; Katalog im Hirmer Verlag 32,00 Euro.
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