von Thomas Behlert
Wer über bayrische Volksmusik philosophieren will, der denkt schnell an fürchterliche volkstümliche, ja volksdümmliche Kapellen, die lederbehost, schnauzbärtig, leicht schielend und Seppelhut tragend durch Festzelte, Feuerwehrwachen und Fernsehstadel marschieren und den Frohsinn befehlen. Es wird gejodelt bis die Brüste aus dem Mieder hüpfen und über die schöne bayrische Welt gesingsangt. Doch Bayern hat mehr zu bieten als eine „dammische“ Hymne, die Fußballdeppen und angetrunkene Christsoziale zu jeder unpassenden Gelegenheit schlecht singen. Da gibt es nämlich noch wunderbare Künstler, die seit vielen Jahren den Rest der Republik, gar die ganze Welt, mit wunderbaren musikalischen Einfällen, intelligenten Späßen und wagemutigen Aktionen erfreuen. Dazu gehören neben Hans Söllner auf alle Fälle Gerhard Polt und die Biermösl Blosn. Und von denen muss hier unbedingt berichtet werden, da die drei Ex-Mitglieder aufgeschrieben haben, was sie in den vergangenen 35 Jahren Schlechtes und Gutes erleben durften.
1976 gründeten die drei Brüder Hans (*1953), Michael (*1958) und Christoph (*1959), aus dem Geschlecht der Wells, die besagten Biermösl Blosn. Zuvor musizierten sie schon in einer 17-köpfigen Familie in Günzelhofen – Hausmusik, bayrische und lustige Lieder. Sie erweckten echte Volksmusik zu neuem Leben, um dann später die Musikrichtung ironisch und verquer mit anderen Musikstilen zu verbinden und dabei Dudelsack, Alphorn, Harfe und Didgeridoo einzusetzen. Noch wichtiger waren aber die Texte der Lieder, die Zwischen- und politischen Ansagen, die sich scharf und überhaupt nicht blumig gegen die schwarze Regierung des Landes Bayern richteten. So traten die Biermösl Blosn in Wackersdorf auf und wurden durch den Bayrischen Staatsfunk auch gleich mit einem Sendeverbot belegt. 2001 folgte gar ein Eklat, da die Well-Brüder die Bayernhymne bitterböse umdichteten und dabei die Firma BayWa integrierten. Besonders im Gedächtnis geblieben ist der „Skandal“ mit der Brauerei Warsteiner. Man sang: „Zur Trinkwasserversorgung g`hört Wasserschutz, zur Büchsen g`hört as Blei, Und des Warsteiner Bier g`hört in an Castor-Behälter“, und bekam Post von den Sauerländer Bierstümpern. Ein Blunsngröstl mit dem Kanzler aus Hannover gab es ebenfalls.
Im Laufe der Zeit hagelte es jede Menge wichtige Preise, man tourte von Island, Afrika, Österreich über Portugal bis in die DDR und Australien, gab ungezählte Konzerte in immer größer werdenden Zelten und Hallen, musizierte oft mit Gerhard Polt, manchmal mit den Toten Hosen und Fredl Fesl. Über 20 Alben wurden aufgenommen, sieben Bühnenproduktionen produziert und in zwei Filmen mitgewirkt.
Leider war 2011 Schluss mit lustig, die Biermösl Blosn trennten sich. Nun haben die drei Musikkabarettisten gleich zwei Bücher veröffentlicht. Von Christoph und Michael gibt es das heitere Sammelsurium „Biermösl Blosn. Tokio – Kapstadt – Hausen“, das von vielen Freunden vollgeschrieben, mit Dokumenten und schönen Fotos aus dem Archiv noch aufgewertet wurde. Jeder, der irgendwann in seinem Leben mal mit den Blosn zu tun hatte, kommt zu Wort, ob nun Hans Söllner, Otto, Campino von den Toten Hosen, Gerhard Polt oder auch jemand wie Gloria von Thurn und Taxis. Kleine allgemein gehaltene Zwischentexte erklären die nachfolgenden Kommentare und einige Songtexte werten alles noch extra auf. Über die Trennung der Gruppe schreiben Kollegen bedauernde Worte und selbst berichten C & M im Vorwort, warum man von ihnen keine Autobiographie erwarten kann: „Abgesehen davon fühlen wir uns zum Schreiben einer Autobiographie nicht wichtig und alt genug.“
Hans Well, der Jüngste des Trios, wagte sich trotz dieses Seitenhiebs an die Autobiographie. Er tat gut daran. Ausführlich, lesenswert und oft sehr spannend schildert Hans W. den Karriereweg der bayrischen Band. Am Ende berichtet er sehr ausführlich wie es zur Trennung kam und schüttet dem Leser regelrecht sein Herz aus. Irgendwie will er damit wohl die am Ende aus dem Ruder gelaufene Berichterstattung der bayrischen Presse richtig stellen.
Alles begann schon fünf Jahre vor der Trennung, als Hans, Christoph und Michael merkten, dass die gewohnten Feindbilder nicht mehr funktionierten. Die CSU war für den Atomausstieg und im bayrischen Wald gab es gar eine Gemeinde mit einem lutherischen schwulen Juso-Bürgermeister. Hans, Kopf und Texter der Biermösl Blosn, wollte gerne ein neues Programm auf die Beine stellen und gar einen Regisseur zu Hilfe nehmen. Doch die Brüder Stofferl und Michael verweigerten sich, sie waren mit den alten Stücken sehr zufrieden. Ein Gesprächsmediator wurde eingeschaltet. 2008 kündigte dann Hans die Gefolgschaft, um aber nach schlaflosen Nächten und Selbstvorwürfen doch wieder mitzumachen. Er ließ es sogar zu, dass die Biermösl Blosn gemeinsam mit Gerhard Polt eine „Best of“ veröffentlichten, obwohl man genau das nie gewollt hatte. Nur drei Jahre später kam es zum unwiderruflichen Bruch, den Stofferl mit den Worten manifestierte: „Die Blosn sind ein Auslaufmodel, ausgelutscht. Stil, Lieder und Themen sind verbraucht.“ Michael gab noch einen drauf, indem er zu Hans meinte, dass diesem nichts Neues mehr einfällt. Die abtrünnigen Brüder hatten bereits einen Familienabend mit den Schwestern (Die Wellküren) und der Mutter geplant, die vorher mal gemeint hatte: „Jetzt miassts aber amoi wos Neies macha“. Hans bekam die Trennung jetzt so richtig mit, da ihm gesagt wurde: „Wenn du nicht mitmachst, ziehen wir es trotzdem durch.“ Dieses Auseinanderdriften beschreibt Hans Well ganz genau und meint dazu, dass er den Tausch Biermösl Blosn – Welly-Family nicht mitmachen wollte. „Scheiße, nun hatten sich meine Brüder also entschieden, […] genau das zu tun, was sie mir verwehrt hatten.“ Noch immer versteht er nicht, warum seine Brüder die Band als Auslaufmodell bezeichnen. Und genau das fragt sich der Leser beim Lesen von Stofferl und Michaels Buch, da sie im Nachwort tönen: „… des Öfteren spielen wir mit Gerhard (Polt) Veranstaltungen im 35 Jahre lang bewährten Stil.“
Bis der letzte Vorgang fiel, erfüllten die Biermösl Blosn noch ihre Pflicht, tourten kurz durch den Balkan, gaben in Deutschland letzte Konzerte mit dem verdammt immer gleichen Programm, dem gleichen Wortlaut und den gleichen Ansagen, wie Hans etwas verbittert auf den letzten Buchseiten mitteilt. Nun touren Christoph („Stofferl“), Michael und Karl gemeinsam mit Gerhard Polt als Wellbrüder aus´m Biermoos und Hans Well oft mit seinen Kindern, manchmal mit Dieter Hildebrand und immer öfter mit Monika Drasch.
Trotz dieses rabiaten Endes zieht Hans Well ein positives Resümee, denn schließlich haben diese Wells die Volksmusik aus dem Dreck gezogen und „das Bayernbild von politischen und volkstümlichen Klischees befreit“. Keiner der drei wollte dem Anderen an die Gurgel, die Instrumente sind auf keinem Kopf gelandet und Zähne haben Hans, Christoph und Michael nur durch Karies verloren. Wer über die Biermösl Blosn alles ganz genau wissen will, Liedtexte und Schriftstücke beleidigter Zeitgenossen nachlesen möchte, dem sei ein Doppelkauf empfohlen und als Zugabe die nicht gewollte und trotzdem sehr erfolgreiche „Best of“.
Hans Well: 35 Jahre Biermösl Blosn, Kunstmann, München 2013, 336 Seiten, 19,95 Euro.
Christoph Well, Michael Well: Biermösl Blosn. Tokio – Kapstadt – Hausen, Kein & Aber 2013, 224 Seiten, 19,90 Euro.
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