16. Jahrgang | Nummer 14 | 8. Juli 2013

In der ersten Reihe

von Frank-Rainer Schurich

Will man der Werbung glauben, sitzt man beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer in der ersten Reihe. Und weil man so privilegiert herumsitzt, muss das, was über den Bildschirm flimmert, natürlich markenrechtlich geschützt werden.
Solche Markenschutzpossen spielen sich regelmäßig ab, wenn die Bezeichnung „Tatort“ benutzt wird. Den „Tatort“ als Markenname und erfolgreiche Krimi-Serie gibt es nur bei der ARD. Punkt.
2010 musste sich die Musikkneipe „Tatort“ in Übach-Palenberg, nördlich von Aachen, nach 17 Jahren umbenennen. Der WDR (ebenfalls öffentlich-rechtlich) argumentierte, einen „Tatort“ darf es nur im Fernsehen geben, aber nicht mehr in Übach-Palenberg. Auch Punkt.
Die Tatort-Posse ging kürzlich weiter, als die Verlegerin Katrin Fischer vom Verlag Bertz + Fischer in Berlin-Kreuzberg Post von den ARD-Anwälten bekam. Über eine Anwaltskanzlei forderte die ARD den Verlag auf, den Reihentitel „Ermittlungen in Sachen Tatort“ für künftige Auflagen nicht mehr zu benutzen, da „eine solche Verwendung die Marken- und Titelrechte“ der ARD verletze. Zur Begründung heißt es in dem anwaltlichen Schreiben, dass der Reihentitel überhaupt nicht notwendig sei, um den Inhalt der Bücher zu beschreiben. Vielmehr warfen die ARD-Juristen dem Verlag vor, dass er durch die Verwendung des bekannten Titels „Tatort“ eine besondere Aufmerksamkeit erheischen will, womit der ARD „Schadens- und Unterlassungsansprüche“ zustünden.
Verlegerin Fischer ging in die Offensive und bat die ARD-Verantwortlichen um Unterstützung, eine neuen Namen für die Buchreihe zu finden. Für den Fall, dass von der ARD kein überzeugender Titelvorschlag komme, wolle der Verlag die Reihe umbenennen in „Ermittlungen in Sachen jener bekannten Sonntagsabend-Krimireihe der ARD, deren markenrechtlich geschützten Titel zu nennen uns an dieser Stelle untersagt wurde“.
Ein kleiner Verlag, eine kleine Kneipe – sie haben nicht das Geld, um gegen die hochbezahlte Anwaltskanzlei der ARD antreten zu können. Das finanzielle Risiko eines Prozesses wäre einfach viel zu hoch. Bei der ARD dagegen spielt Geld bekanntlich keine Rolle. Es gibt die nie versiegende GEZ-Quelle (seit Januar „Einnahmen aus Rundfunkbeiträgen“, jährlich 7,5 Milliarden Euro), und da kann man sich schon einmal die beste Anwaltskanzlei leisten, um den rechtlich nicht begründbaren Alleinvertretungsanspruch zu untermauern und die vermeintliche Konkurrenz scharf niederzuhalten. Denn das Wort „Tatort“, das zwar zum allgemeinen Sprachschatz gehört, darf man eigentlich auch gar nicht mehr denken, wenn es nach den ARD-Oberen geht.
Daher habe ich große Befürchtungen, dass die ARD auch gegen unser Fachbuch „Kriminalistische Tatortarbeit. Ein Leitfaden für Studium und Praxis“, das 1995 im Kriminalistik Verlag Heidelberg erschienen ist, rechtlich vorgehen wird. Ich habe den Mitautoren Rainer Leonhardt und Holger Roll bereits vorgeschlagen, die kreative Idee von Katrin Fischer aufzugreifen und den Titel des Buches rückwirkend zu ändern: „Kriminalistische Arbeit an jenem Ort, nach dem eine bekannte Sonntagsabend-Krimireihe der ARD benannt und deren markenrechtlich geschützten Titel zu nennen den Autoren an dieser Stelle untersagt wurde. Ein Leitfaden für Studium und Praxis.“
Noch ein Punkt.
Bleibt nur noch festzustellen, dass der ARD-Reihentitel „Tatort“ überhaupt nicht notwendig ist, um den Inhalt dieser Kriminalfilme zu beschreiben. Es ginge ja auch mit „Polizeiruf 110“.