von F.-B. Habel
Der Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR hielt bis zum Ende der DDR alljährlich das Slatan-Dudow-Seminar zu filmästhetischen wie auch filmpolitischen Fragen ab. Der Regisseur und Autor galt in dem Jahrzehnt von 1953 bis 1963 als wichtigste Instanz im sozialistischen deutschen Film. Die Grundlage dafür hatte er schon in der Weimarer Republik gelegt.
Der 1903 im bulgarischen Zaribrod (heute das serbische Dimitrovgrad) geborene Eisenbahnersohn Slatan Theodor Dudow kam als 19-Jähriger nach Berlin, wo er Schauspielunterricht bei Emanuel Reicher nahm, Theaterwissenschaften bei Max Herrmann studierte und bei Regisseuren wie Fritz Lang, Leopold Jeßner, Jürgen Fehling und Erwin Piscator hospitierte. Nach der Bekanntschaft mit Bertolt Brecht kam er in dessen Mitarbeiterkreis, interessierte sich neben der Bühnenarbeit aber auch stark für den Film. „Wie der Berliner Arbeiter wohnt“ hieß 1930 sein erster noch stummer Kurzfilm, der das proletarische Wohnungselend in Berlin-Mitte zeigte.
Ein Kollektiv um Bertolt Brecht und Ernst Ottwalt schuf 1931 den ersten (und für lange Zeit einzigen) sozialistischen Tonfilm „Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?“, den Slatan Dudow inszenierte. Das machtvolle Solidaritätslied von Brecht und Eisler erklang hier zum ersten Mal, und mit Hertha Thiele, Ernst Busch, Gerhard Bienert, Adolf Fischer und Erwin Geschonneck wirkten Schauspieler mit, die später aus dem kulturellen Leben der DDR nicht wegzudenken waren.
Als Ausländer konnte Dudow nach der Machtübernahme der Nazis noch einige Zeit unbehelligt in Deutschland arbeiten und drehte hier die Kleinbürgersatire „Seifenblasen“ mit dem Dänen Henry Lorenzen in der Hauptrolle. Als das Pflaster aber zu heiß wurde, floh er mit dem Material nach Paris, wo er den Film fertig- und dem Publikum vorstellte. In der Exil-Weltbühne lobte Hans Sahl den Streifen über die Arbeitslosigkeit und darüber, „dass es Menschen gibt, die aus der grundsätzlich falschen Einschätzung ihrer Lage eine eigene Ideologie entwickelt haben, die Ideologie der Lackschuhe und der Seifenblasen“, so Sahl. (Die neue Weltbühne, 30.5.1935.)
Zur Weltbühne hatte Slatan Dudow eine geistige Verbindung, hatte er hier doch schon 1932, als er sich noch S. Th. Dudow nannte, über Probleme des Films geschrieben. Auch nach den Jahren des Exils – in Paris konnte er noch mit Brecht und Weigel zusammen Theaterstücke aufführen, in der Schweiz verlegte er sich aufs Schreiben – hat Dudow gelegentlich in der erneuerten Weltbühne das Wort ergriffen, musste sich hier aber vor allem als Filmemacher der Kritik stellen.
Als erster Spielfilm nach verworfenen Projekten kam 1949 der Nachkriegsfilm „Unser täglich Brot“ heraus, der die Entscheidung eines eher konservativen Kleinbürgers (Paul Bildt) für die Mitarbeit in der volkseigenen Industrie schildert. Leo Menter fand allerdings auch Kritikpunkte: „Und doch, der Film ist nicht ganz gelungen. Das soll sagen, er hätte noch wirksamer werden können. Dudow versetzt sich ganz in die Bildwirkung, und er schafft damit das, was man Atmosphäre nennt. Aber es gelingt ihm nicht immer, die Schauspieler in seinen Kreis zu ziehen.“ (Die Weltbühne 46/1949.)
Mit seinem Film „Frauenschicksale“ schuf Slatan Dudow ein Frühwerk der Emanzipationsbewegung, ohne dass das jedem klar wurde, und erwies sich als Vordenker. In der Weltbühne wurde einschränkend bemerkt, der Film leide an einer Überfülle an Aktualitäten. „Dudows Regie ist es aber gelungen, diese Schwächen weitgehend unsichtbar zu machen durch schwungvolle Präzision des filmischen Ablaufs. Namentlich die ausgezeichneten Leistungen der Kameramänner Robert Baberske und Hans Hauptmann unterstützen das.“ (Lothar Kusche in Die Weltbühne 25/1952.)
Für die Hauptrolle in „Stärker als die Nacht“ wurde Wilhelm Koch-Hooge 1954 in Locarno als bester Darsteller ausgezeichnet. Erstmals standen in einem DEFA-Film antifaschistischer Thematik keine Kleinbürger im Mittelpunkt sondern Kommunisten, die aus tiefer Überzeugung unter Opfern und Entbehrungen gegen den Faschismus kämpfen. Durch die tiefe Menschlichkeit in der Umsetzung des Themas gelang ein bewegender Film. Carl Andrießen schrieb in der Weltbühne: „Der Film betont unmißverständlich, daß in dem verblendeten deutschen Volk die entschiedenen Gegner des Nazismus sehr dünn gesät waren. Sie zählten nur nach Tausenden unter den Millionen. Der politischen Vergeßlichkeit – gefördert durch eine bewußte politische Vernebelung in Westdeutschland – kann ja nur so begegnet werden, daß man den politischen Sachverhalt jener Jahre den Vergeßlichen getreulich vor Augen hält; künstlerisch vollendet ist das mit dem Film Stärker als die Nacht gelungen.“ (Die Weltbühne 42/1954.)
Slatan Dudow war vielseitig. Er hat die beißende Satire „Der Hauptmann von Köln“ (1956) gedreht, soziale Fragen in einer Liebesgeschichte aufgelöst („Verwirrung der Liebe“, 1959), und als das Staatliche Filmarchiv der DDR 1974 das Fragment seines Gegenwartsfilms „Christine“ zeigte, erwies sich, wie viel Slatan Dudow uns noch zu überkommenen und neuen Geschlechterrollen zu vermitteln gehabt hätte. Doch während der Dreharbeiten zu diesem Film kam er bei einem Autounfall am 12.Juli 1963 – vor fünfzig Jahren – ums Leben.
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