16. Jahrgang | Nummer 11 | 27. Mai 2013

Nun schweben sie wieder

von Thomas Behlert

Ist das Leben manchmal schwer,
kommt ein Engel gleich daher.
Drückt mir beide Augen zu:
„Fresse Alter, jetzt ist Ruh.“

Ja, die Engel sind in unserer hoch zivilisierten und tief abstürzenden Gesellschaft schon eine eigene Spezies. Sie haben sich aus der finsteren Zeit des Mittelalters in die heutige gerettet und kommen in Gestalt von Öko-Bräuten und zauseligen Mönchen wieder über uns. Sie sind aber auch zu putzig, zumal die Flügelbesitzer weder einen Pimmelmann ihr Eigen nennen, noch ein ordentliches Feuchtgebiet vorzeigen können. Allerdings darf man Engel nicht mit ihren geschlechtlosen Leidensgenossen Barbie und Ken verwechseln, da diese Kinder verführen und vom Teufel (USA) gemacht worden sind.
Bereits bei den alten Ägyptern, bei den verdammt ganz älteren Persern, den noch älteren Babyloniern, selbst bei den nicht ganz so alten Griechen und Römern wurden die Engel benutzt, um leichtgläubigen Untergebenen die Münzen aus dem Beutel und die essbaren Tiere aus dem Stall zu stehlen. Nun ist die Engelswelle endlich nach Deutschland übergeschwappt und weder die grauhaarig Bezopften, noch die Runzelbürger und Sandalenträger können sich beherrschen, sie schwatzen und spirituelleren mit ihren so genannten Schutzengeln, dass es für Gott und Vaterland eine Freude ist.
Man erinnert sich wieder an die Engel Bariel, Michael und Raphael, die in Zeiten des Menschenabschlachtens, -ausbeutens und -für-dumm-Verkaufens von der Katholischen Kirche auf die Bevölkerung gehetzt wurden. Immer sahen diese Engel gar zärtlich und niedlich aus, nie wie Priester, Inquisitatoren, Pfeffersäcke und schon gar nicht wie ein zerknitterter Papst. Künstler schufen Blendwerke, deren Preise heute auf Wolke sieben schweben. Erzengel Gabriel, Chef aller Geschlechtsneutralen, wirft bis heute Blitz und Donner auf Aufwiegler und Abtrünnige.
Hier im Lande hat das Getue um die „geflügelte Jahresendfigur“, wie Engel gerne und scherzhaft in der DDR bezeichnet wurden, gerade einen Höhepunkt erreicht. Schuld daran ist Märtha Louise von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, ein Wesen, das als Prinzessin im ansonsten aufgeklärten Norwegen sein Unwesen treibt. Märtha muss, wie alle anderen Hoheiten des nordischen Staates, einer regelmäßigen und geregelten Erwerbstätigkeit nachgehen und mit etwas Geld den Thron erhalten helfen. Was macht aber nun ein adliges Luder, das nichts außer Prinzessin kann? Sie gründet eine Engelsschule und bildet mit diesem Werkzeug der herrschenden Klasse wirklich und wahrhaftig Engelsmissionare aus. Halleluja.
Sogar der wurstfingrige und äußerst schmierige Volksmusiklulatsch Florian Silbereisen lud das Engelsluder in seine Sendung ein, um mit ihr den Schutzengeln auf die Finger zu sehen. S&M bescherten den Zuschauern eine angenehme Zeit, denn sie hielten für einige Minuten die volksmusikalische Klappe. Es gab nur das zu sehen und zu hören, was ansonsten in den Köpfen der Show-Teilnehmer vorherrscht: Ein gespenstisches Nichts.
Das Zentralorgan aller Engelskämpfer, -forscher und -seher ist das monatlich vom Himmel fallende „Engel-Magazin“. Ein geiles Teil, das mit wahnsinnig vielen nichtssagenden und sinnfreien Worten, gar Sätzen, nur so um sich wirft. Vorwiegend verknitterte und debil in der Gegend herumschauende Damen und Herren kümmern sich um die Elemente Feuer, Wasser, Furz und Erde. Sie lassen so allerlei in sich einströmen und propagieren die reine Liebe zum göttlichen Flugtier, da sie im ganzen Leben wohl keinen (keine) abbekommen werden. Wenn man dann lange genug bei den rosaroten Engeln empfangen worden ist, können die Augen wieder geöffnet werden. Tipp von mir: Gleich nach Schmuck und Geld gucken, denn so ein Engelsforscher könnte auch den Teufel im Blut haben.
Einer der wichtigsten Engelsforscher ist Pater Anselm Grün, der sich verdammt gerne im Kräutergarten fotografieren lässt und ansonsten Bücher über das Ich, über das Innere und über das Ich im Inneren schreibt. Unverständlich, aber immer gut verkauft.
Da weder schwingender Mann noch dimensionswechselnde Frau wissen, was aus dem Inneren so rauskommt, wird von der Engelsgesellschaft mit Vorliebe über dieses bestimmt Eklige visioniert und missioniert. „Wer Engel frisst, wird Federn kotzen“, bringen Herzberater, Engelsmedien, Kartenleger und Hellseher mit erblühenden und verbindenden Worten die Sache auf den Punkt. Und: „Wir bereiten uns auf die Wiedergeburt der nach außen tretenden Kräfte vor.“
Nicht zuletzt senden die Engel Zeichen, Träume und Visionen, die die Engelsmacher in Geld, Gold und Aktien umsetzen. Und wenn dann all die Seelenbildermalerinnen, Engelsbotschafterinnen, Hellfühlerinnen, Jenseitskontaktierer und Lichtarbeiter mal fröhlich sein, über ihre Geschäfte mit den Engeln erzählen und dabei das Bewusstsein verändern wollen, treffen sie sich zum spirituellen Stammtisch. Bei Brot und Wasser und biologisch abbaubaren Salatblättern berühren sie die schwarze Seele, hören dem Quatschkopf Yps Ylonka zu, verjagen einen Schamanen mit seinem übergoßen Dings (äh, Holzflöte), vergewaltigen den Wunschkönig und schänden das Engelmedium. Spontan gesellen sich dazu Tierkommunikatoren, strafversetzte Priester und andere fröhliche Engelanbeter. Schließlich schauen alle gemeinsam in den Mond und entspannen sich bei Yoga und Rückenrollen.
Klar ist, dass die ganze Engel-Forschung noch am Anfang steht, dieweil noch keiner der Heiler(innen), Medien und Seher(innen) unter das Flatterhemdchen der Gottesdiener geschaut hat.
Dies schrieb Medium und cosmogetischer Geistheiler Thomas Behlert, der den persönlichen EngelsBrief für 70 Euro anbietet und Karten durch das Telefon legt (2,86 Euro pro Minute aus dem Festnetz).