Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 13. September 2004, Heft 19

Antworten

von Siegfried Jacobsohn

»Die Schaubühne« Siegfried Jacobsohns (1918 von ihm umbenannt in »Die Weltbühne«) wäre am 8. September 2004 in ihren 100. Jahrgang eingetreten. Bis zu ihrem 100. Geburtstag werden wir unregelmäßig aus alten Heften zitieren – als Erinnerung ebenso wie als Verbeugung vor dem früh verstorbenen Meister.

Goethebündler. Ihr geistiger Kegelklub hat fünf-, zwei- und eintausend Mark für die Beantwortung der Frage ausgesetzt: »Was hat zur Milderung der Klassengegensätze zu geschehen, welche heute die aufeinander angewiesenen Kreise unsres Volkes weit mehr trennen, als in den natürlichen Verhältnissen begründet ist?« Nun sind aber diese Kreise, die man übrigens nicht stören soll, niemals mehr als, sonders stets genau soweit getrennt, wie die natürlichen Verhältnisse bedingen. Lassen Sie es ruhig bei der Trennung bewenden! Ein einig Volk von Brüdern existiert nur vor dem Kitsch, wo sie sich gleich verstehen.
Die Schaubühne, 1914, I/82

L.B., Berlin. Sie haben ganz Recht: die neue Königliche Bibliothek zu Berlin repräsentiert sich innen durchaus nicht so prunkvoll wie außen. Die Institution, die mit anderthalb Millionen Bänden arbeitet, hat an den Leihstellen für den technischen Betrieb so wenig Beamte zur Verfügung, und diese Beamte haben ein Tempo, daß man, bis ein Buch verabreicht wird, in Ruhe eins von den Büchern auslesen kann, die nicht verabreicht werden.
Die Schaubühne, 1914, I/593

T.F., Berlin. »Eine große christlich-nationale Kundgebung«, berichtet die Presse, fand im Zirkus Busch statt. »Über das Thema: ›Mit Gott für König und Vaterland‹ sprachen in nachfolgender Dreiteilung: ›Mit Gott‹ Pastor D. Philips, ›Für König‹ Oberverwaltungsgerichtsrat Graf von Westarp, M.d.R., ›Und Vaterland‹ Generalsekretär Behrens, M.d.R.« Ich rate zu einer Kundgebung über das Thema: ›Deutsch sein heißt eine Sache um ihrer selbst willen tun.‹ Es werden in folgender Dreiteilung sprechen: ›Deutsch sein‹ Herr Rückert, Gutsinspektor der polnischen Landarbeiter in Januschau, ›Eine Sache um ihrer selbst willen tun‹ Philosoph Bethmann Hollweg. [der damalige Reichskanzler, d. R.] Herr Oberrabbiner Lindemann wird dann noch einmal über das Thema: ›heißt eine Sache‹ sprechen.
Die Schaubühne, 1914, I/593f.

Franziska Gr. H. Aber das ist durchaus keine Ausnahme. Die Theaterorchester sind alle gleich. Ich sitze meistens in der ersten Reihe und mache meine Studien. Immer sieht der Flötist aus wie ein kleiner Kanzleibeamter, immer hat er ein Bärtchen und immer einen schlecht fassenden Klemmer. Der Paukist ist meistens wohlsituiert von Ansehen und trägt einen stattlichen Bauch. Er ist ungerührt. Aber auch die andern bewahren eine stoische Ruhe vor den dramatischen Vorgängen und den besten Witzen. Nur, wenn die Einlagen kommen, müssen sie ja wohl oder übel einsetzen. Dann legen sie ihre Käsestullen und ihre Lesehefte fort, wischen den Bart, stecken sich, wenn sie Geige spielen, das bunte Seidentuch vor und sehen alle gelangweilt zum Kapellmeister auf. Der nimmt Interesse an den Vorgängen da oben, schon, weil er aufpassen muß, und weil ihn interessiert, wer heute wieder nichts kann, und ob der Malowsky wieder seine dummen Extempores machen wird. »Tja, die lieben kleinen Frauchen –!« sagt einer auf der Bühne. Der Kapellmeister zieht die Brauen hoch, legt den Kopf hintenüber – und los gehts. Was ich noch sagen wollte: Die Harfenistin, wenn sie jung ist, hats oft Hand in Hand mit dem Cellisten. Weil er ihr am nächsten hockt. Hockte ihr der Trompeter am nächsten – mit dem Trompeter.
Die Schaubühne, 1914, I/594