Des Blättchens 7. Jahrgang (VII), Berlin, 19. Juli 2004, Heft 15

Sprachseiltänzer

von Henryk Goldberg

Nicht, daß ich mit der Jury von Herrn Professor Schlosser, die die deutschen Unwörter des Jahres kürt, konkurrieren möchte. Aber auch der unbekannte Gefreite an der Sprachfront hat so ein paar Lieblingsfeinde, denen er immer wieder begegnet. Und sie haben alle, mit Ausnahme des Unverbrüchlichen, das einst kerniger Fakt war, mit einem verbreiteten falschen Gebrauch von Sprache zu tun, der Sprachwirklichkeit also, deren Betrachtung in Frankfurt eher im Rufe der Unvornehmheit steht.
Ich wüßte zu gern, wer der Erfinder des vollkommen schwachsinnigen Wortes Helfershelfer ist, meines sprachlichen Lieblingsfeindes. Dieses Monster verfolgt und nervt mich seit Jahrzehnten, doch scheint es unausrottbar. Den Klang, der die Sau graust, einmal beiseite, ist auch die Verwendung in aller Regel vollkommen widersinnig, denn gebraucht wird der Depp beinahe immer im Sinne von Helfer. Also bitte, machen Sie sich nicht zum Helfershelfer dieses monströsen Wortes.
Und versuchen Sie vor allem nicht, einen Begriff zu finden, der das Gemeinte optimaler beschreibt. Denn jegliche Steigerung von optimal ist ein Widerspruch in sich, die den Sinn des Wortes aufhebt: besser als bestmöglich kann etwas nicht sein, so wenig wie unsere lieben Frauen und Mädchen nicht schwangerer werden können und niemand von uns eines üblen Tages toter sein wird als die anderen. Obwohl das natürlich ein makabres Beispiel ist. Das ist es wirklich. Aber wenn einer etwas besonders blödes sagt oder tut, dann ist das noch lange nicht makaber, dann ist das nur blöde. Denn makaber ist etwas, wenn es mit dem Tod zu tun hat und nur dann. Aber aus irgendeinem Grunde mischt sich das Makabre immer wieder zwischen zwar merkwürdige, doch hoch lebendige Dinge. Manche Ereignisse verströmen tatsächlich einen makabren Humor. Etwa, wenn einem, wie es Bulgakow geschehen läßt, der Kopf eines Menschen humoristisch vor die Füße rollt. Wie würden Sie ad hoc reagieren, wenn Ihnen derlei widerführe?
Gar nicht, denn Sie haben noch nie ad hoc reagiert, Sie haben es höchstens gesagt und in der Regel falsch. Denn der Begriff meint nicht spontan oder aus dem Bauch, er bedeutet zum Zwecke. Ausschüsse, Kommissionen werden ad hoc gegründet, wenn sie also nur dem einen Zweck dienen. Wir lernen daraus, daß, wer allzu keck auf dem Seil der Sprache tanzt, schnell das Übergewicht verliert. Nein, tut er nicht. Das Übergewicht verliert, wer abnimmt, nicht, wer aus dem Gleichgewicht gerät: der gewinnt das Übergewicht und verliert deshalb die Balance.
Allerdings, ob etwas dasselbe ist oder das Gleiche, das kann ich ad hoc nie entscheiden.