von Liesel Markowski
Die gelben Südfrüchte scheinen in der Berliner Komischen Oper zu einer Art Symbol zu werden. Bereits vor zwei Jahren, als Andreas Homoki seinen Einstand als Chefregisseur gab, tauchten in der Verkauften Braut Bananen auf. Jetzt wurden bei Händels Alcina wieder ausgerechnet durchgängig Bananen – in ganzen Stauden oder einzeln – über die Bühne getragen oder herumgereicht. Warum? Keine Ahnung.
Für den Amerikaner David Alden und seinen Ausstatter Gideon Davey ist die Opern-Story nach Ariosts Orlando furioso der Traum einer verwunschenen Kinowelt des Protagonisten Ruggiero. Die Insel – hier ein verfallenes Vorstadtkino –, auf der ihn Alcina festhält, seine Vision. Die ohnehin verwickelte Geschichte um Macht, Liebe und Eifersucht wird so noch verwirrter. Es ist in der Aufführung lange nicht herauszubekommen, wer wer ist. Zumal Hosenrollen und verkleidete Hosenrollen (mit Striptease) die Identität der Figuren zusätzlich verschleiern. So gerät das Spiel um die Männer vernichtende Zauberin Alcina zur Schau mit running Gags. Tiefgang? Fehlanzeige.
Das mag ganz unterhaltsam sein, aber mehr auch nicht. Woody Allens zauberhafte Illusion der Purple Rose of Cairo, die der Regisseur im Sinn hatte, bleibt außen vor. Die Bananen, der Zoo überlebensgroßer Papptiere, die Orang-Utan-Verkleidung des Oronte, der Kleiderwechsel seiner Frau Morgana (Schwester Alcinas) vom Negligé zum Glitzer-Outfit und zur einen Kinderwagen schiebenden Äffchen-Mama – ein Wechsel von Albernheiten. Die Funwelt läßt grüßen. Vier Stunden lang (mit zwei Pausen) – das könnte zur Strapaze werden. Gäbe es nicht Händels Musik.
Denn die Musik war wieder einmal das wirkliche Opern-Plus. Ein großes Belcanto-Erlebnis hob Ungereimtheiten der Szene gleichsam auf mit Stimmvirtuosität und berückendem Wohlklang. Eindeutig hatten die Frauen, sowieso in der Mehrzahl, das Prä. Geraldine McGreevy faszinierte als Alcina mit strahlendem Sopran und bewegender Koloratur-Klage. Brigitte Geller sang sich als Morgana mit glockenreiner Stimme gewissermaßen in die erste Reihe. Schönes Pendant dazu waren Annette Markerts Mezzo für den Ruggiero und Ewa Wolaks dunkler Alt für dessen Verlobte Bradamante. Auch die kleine Hosenrolle des Oberto war bestens besetzt mit der Sopranistin Johannette Zomer.
Das Orchester bewährte sich in außerordentlicher Verfassung: Die Musiker agierten bei den Arien-Begleitungen in durchsichtig lockerem Drive. Dirigent Paul McCreesh hat zu dieser feinen Spiellust und zu einer wundervoll klingenden Händel-Aufführung inspiriert. Darum: große Freude am Musikalischen, Zweifel am Szenischen.
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