Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 12. September 2005, Heft 19

Frohsinn an die Macht?

von Katharina Kaaden

Da unlängst in diesem Blatte auf die Wahlwerbung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands eingegangen wurde, soll auch die der Linkspartei nicht ignoriert werden. Was den Farbenfrohsinn anbelangt, können die linken Kollegen unterdessen mithalten. Dafür kommt die Schrift, die den putzigen Motiven einen Sinn verpassen soll, schmalbrüstig daher. Kann sein, die Genossen haben das beabsichtigt. Hinterher können sie sagen, der Wähler habe sie mißverstanden.
Was man erkennt, sind oftmals an der Hirnpartie abgesägte Politikerhäupter. Wird das Plakat dann auch noch angetackert, entsteht ein Balken vor der Stirn. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Ansonsten zeigt man uns Regenschirme, Prozentzeichen, Sterne und Preisaufkleber … Is ja alles so schön bunt hier, fällt mir Nina Hagen ein. Man könnte meinen, Herrn Westerwelles Agentur, die einst das drollige Guido-Mobil flottmachte, hätte die Seiten gewechselt.
Alles fügt sich harmonisch ins Schnäppchen-Alltagsbild. Besonders sinnfällig, wenn PDS-Werbung in direkter Nachbarschaft zu Katzennahrung plaziert wird. Allerdings bringt diese ihre wegweisende Botschaft neu, besser, glücklicher gelungener auf den Punkt. Da können sich die Genossen eine Scheibe abschneiden. Ihr Glassymbol (Vorsicht, zerbrechlich!) daneben ist versehen mit dem Slogan Sozial, mit aller Kraft. Dumm nur, daß das Glas schon zerbrochen ist, aber womöglich hat man für den unguten Ausgang schon vorgesorgt? Der Werbe-Superhit zum Schluß: Ist es nicht nett, das Duett, dieser beiden? Alle Plakate ziert zudem die Meldung, die Linkspartei sei bundesweit wählbar. Da hat einer sicher ganz lange drüber nachgedacht. Oder vielleicht auch zu wenig, man weiß das nicht so genau.
Alles ganz anders, lese ich wenig später im ND: die gesamte Kampagne eine einzige geballte positive Weltsicht! Gleich zwei Agenturen hätten sich gemüht, den Leuten frech und witzig eine Partei mit »Gebrauchswert« zu präsentieren. Witzischkeit kennt keine Grenzen, möchte man anstimmen, hält aber gleich wieder inne, wenn man liest, daß den Künstlern nur magere vier Millionen Euro zur Verfügung standen.
Muß ein gekürzter Werbe-Etat auch zu gekürztem Denken führen? Und zu Wahlwerbung im allgemeinen Spasss-Look? Lange her, daß die Plakate der PDS zu den witzigsten und klügsten gehörten.

P. S. Übrigens, »think positive« hat sich schon auf der Psycho-Couch als zu kurz gedacht erwiesen.