Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 4. Juli 2005, Heft 14

Wogegen?

von Sarah Liebigt

Auf dem Rasen vor dem Koblenzer Hörsaalgebäude stehen Zelte. Campen gegen die Studiengebühren ist angesagt. Wer gegen die Gebühren ist, darf protestieren. Sogar öffentlich und ohne anonyme Flugzettel in der Uni verteilen zu müssen, was dennoch geschieht.
Am Bodensee gibt es keinen Krieg und keine sit ins, die Atomwaffentests finden woanders statt, und auch die Castoren rollen hier nicht vorbei. Studenten unter Transparenten mit Aufschriften wie Lieber heute aktiv, als morgen radioaktiv, kennt man nur aus GeWi-Seminaren. Zur Zeit sind es »nur« die umstrittenen Studiengebühren, gegen die sich Unmut regt. Während sich die einen davon gefüllte Staatskassen versprechen, hoffen die anderen auf Eliteunis. Intelligenz = Money is not the problem?
Es gibt Vertreter beider Lager an der Uni – aber keine Diskussionen oder gar hitzige Auseinandersetzungen. Die Hochschule habe ich bisher nicht als ein Forum für Debatten über das, was Gesellschaft und Wirtschaft bewegt, erfahren. Natürlich wird diskutiert. Doch die Themen sind andere. Zum Beispiel der Unterschied zwischen Ost und West. Daß man als Westler ja nicht mal mehr in den Osten muß, um Spargel zu kaufen. Die Ossis kommen jetzt sogar in die Hauptstadt. Und die is ja jetzt Westen. Wenn über Politik gesprochen wird, hört sich das ungefähr so an: Ja, na klar, wennse den Fischer absägen, is das schon blöd, das können die nicht machen, Mann, dann geht ja hier alles den Bach runter. Oder: Nee, klar, is schon nich so geil, aber ich mein, was issn auch der Unterschied zwischen der Merkel und Schröder?
Wo sind eigentlich die Plakate, die zu Versammlungen gegen Kürzungen, Demonstrationen gegen Rechts und gegen Einsparungen aufrufen? Man gehe den verrauchten AStA-Gang hinunter, trete durch die Glastüre und siehe: stets junge Menschen, emsig dicke Pinsel schwingend und auf riesige Banner mit roter Farbe schreibend. Doch wenn man dann später aus dem Seminar kommt, sieht man die Plakate zur Uniparty, zum AStA-Kino und zum CD-Verkauf nächste Woche aufrufen.
Als ich nach der Vorlesung, es geht auf 20 Uhr zu, das R-Gebäude verlasse, schlägt mir dicker Rauch entgegen. Die Protest-Camper grillen. Was? Wahrscheinlich am liebsten die Hinterteile von bestimmten Politikern und Beamten, vielleicht sogar Hochschulrektoren, die im Moment im Rampenlicht stehen. Doch es gibt Rindersteaks und Schweinswürste. Auf dem Rasen stehen vielleicht fünfzehn, zwanzig Zelte. Und Studenten. Die harren tatsächlich hier aus. Und erinnern mich ans erste Semester, als die Camper nicht gegen die Gebühren, sondern für mehr Wohnungen für die Studenten Steaks grillten.
Ich hab, wie so viele, das erste Semester in einer Ferienwohnung verbracht, die Turnhalle ist mir zum Glück erspart geblieben. Die neue Wohnung hab ich nur durch tägliche Telefonate mit der Maklerin und Bittbriefe an die Vermieter bekommen. Gezittert haben meine Mitbewohner und ich bis zum Schluß – vier Tage vor Mietvertragsende gab’s schließlich den neuen Vertrag. Ich wende den Demonstranten den Rükken zu und gehe zum Bus. Unterschrieben hab ich schon letzte Woche.