von Liesel Markowski
Es ist jene Oper, die der 24jährige Schostakowitsch in kühnem Wurf nach der gleichnamigen Erzählung von Leskow schuf, die nach großem Erfolg – auch im Ausland – unter stalinistisches Verdikt fiel und verschwand. Es ist jene Oper, die verhängnisvolle Repressionen gegen den Komponisten nach sich zog. Eine Neufassung – Katerina Ismailowa –, bei der das Mitgefühl für die unglückliche Titelheldin betont wird, erarbeitete Schostakowitsch in den sechziger Jahren. Sie wurde 1973 in seiner Anwesenheit von der Berliner Staatsoper aufgeführt. Ein unvergeßliches Ereignis.
Nun Lady Macbeth von Mzensk, die Urfassung, in der Berliner Komischen Oper. Wer sich erinnernd vergleichen kann, ist von der weitaus rasanteren Gestik des Originals überrascht und beeindruckt. Die Geschichte von der russischen Kaufmannsfrau Katerina, die sich aus beklemmender Abhängigkeit und Unterdrückung durch Mord an ihrem tyrannischen Schwiegervater Boris Timofejewitsch und an dessen Sohn Sinowi, ihrem liebensunfähigen Ehemann, befreit, um sexuelle Befriedigung und Liebe bei dem Handelsgehilfen Sergej zu finden, die wie ihr Liebhaber zu Zwangsarbeit verurteilt, von ihm verraten wird und jämmerlich zugrundegeht – diese tragische Geschichte wird hier musikalisch ungeschminkt und prall vorgeführt.
Und es ist ganz sicher Schostakowitschs großartige Musik, die sich eingräbt mit ihrer aufregenden drastischen Vielfalt aus Operettigem, Lärmendem, Walzer, grotesken Bläserklängen, Gesangsmonologen, russischen Chören und kunstvollen orchestralen Zwischenspielen. Dirigent Wassili Sinaiski, dem Russischen von Haus aus vertraut, erfaßte sie voll vitaler Intensität und mit gestischer Präzision, inspirierte das Orchester des Hauses zur Hochform.
Hans Neuenfels – sonst als Skandalregisseur an der Deutschen Oper bekannt – läßt bei seiner Inszenierung dankenswerterweise der Musik ihren gültigen Raum fürs Skurrile, aber auch fürs Nachdenkliche. Überschaubar wirkt das Figurenspiel in der kühlen Designer-Modernität im Handlungsschauplatz eines ehelichen Schlafzimmers mit großem quadratischen Bett und unzähligen Türen an den Wänden. Eine langweilige Geradheit beherrscht die Bühne (Gisbert Jäkel) im ganzen Stück. Das russische Milieu, von dem Libretto wie Musik erfüllt sind, ist ausgespart, allenfalls durch Kostüme (Elina Schnizler) angedeutet: bei Sinowi in brokatener russischer Tracht, dessen Trägheit ein goldener Bilderrahmen auf seinen Schultern symbolisiert, bei der Köchin Aksinja im rot-runden Bauernrock. Katerina erscheint dagegen als elegante Dame der dreißiger Jahre, Boris mit merkwürdiger Schlafhaube und die Arbeiter in grauen Einheitsanzügen, die mit Stricken verzurrt das Gefangensein markieren. Solche Schlingen sind zunächst auch am Dress der Lady zu sehen. Vage Zeichen gesellschaftlicher Positionen.
Daß Neuenfels mit dem Russischen auch das Soziale – das Politische sowieso – bewußt unterbelichtet (etwa durch Weglassen der Hochzeitsgesellschaft) und den Konflikt aufs Erotisch-Sexuelle konzentriert, schränkt die Brisanz ein; Neuenfels zielt eher aufs Allgemeinmenschliche. Er pointiert dies noch durch das Shakespeare-Zitat drei männlicher Hexen, rothaarig und schwarz gewandet, die das Spiel mystisch unheimlich und effektvoll begleiten. Theatralisch attraktiv als köstliche Groteske sind das Polizeibild mit kaffeetrinkenden und ihre Pistolen bewundernden Diensthabenden und das Schlußbild mit dem klagenden Chor (Einstudierung: Robert Heimann) an der Rampe. Gesungen wird engagiert und ansprechend; beachtlich vor allem Milana Butaeva in der umfangreichen Titelrolle, dann Jens Larsen als (sehr sanfter) Boris Timofejewitsch, Andreas Conrad als Sinowi mit grellem Tenor-Gestus und Jürgen Müller als intriganter Sergej.
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