Des Blättchens 8. Jahrgang (VIII), Berlin, 31. Januar 2005, Heft 3

Berlin liegt vor Sumatra

von Peter Braune

Alles, was Beine hat, Flugzeuge oder Kriegsschiffe, machte sich in den vergangenen Wochen auf den Weg. Helft den Opfern der großen Flut! Auf nach Sri Lanka, Thailand, nach Sumatra!
Der Landbote, eines der bedeutenden Schweizer Provinzblätter, titelte als Meldung des Tages: 30 weitere Soldaten auf dem Weg nach Sumatra. Drei Tage zuvor war es schon einem Vortrupp von dreizehn eidgenössischen Armeeangehörigen gelungen, auf einem Eiland vor Banda Aceh auf Nordsumatra ein Versorgungszelt für den Haupttrupp im schlammigen Grund zu errichten. Mit solchen Kinkerlitzchen gibt sich Deutschland nicht ab. Als Weltmeister in selbstloser Hilfe und freiwilligen Spenden seiner Bürgerinnen und Bürger wurde von der Regierung das Schlacht- und Lazarettschiff Berlin der Bundesmarine ins Wasser gelassen und dümpelt nun vor der Küste Sumatras im wieder ruhigen Wasser, gleich neben dem Flugzeugträger Abraham Lincoln aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Australische, japanische, britische und sonstige Kreuzer und Zerstörer, belgische, niederländische und italienische Schnellboote flitzen zwischen den großen Pötten hin und her und halten die Kommunikation aufrecht. Oder passen sie etwa nur aufeinander auf, daß kein Land das andere bei der Ausübung soldatischer Hilfe übertrumpfe und damit Einflußnahme auf die zu schützenden indonesischen Gebiete nähme?
Das wäre ja nicht neu. Am 3. November 1884 hatten die Kommandanten der deutschen Kriegsschiffe S.M.S. Elisabeth und S.M.S. Hyäne auf Maputi im Bismarckarchipel den deutschen Wimpel gezeigt, am 27. November 1884 hatte in einem Hafen auf Neuguinea auf der sogenannten Flaggenhalbinsel der Kommandant Langemack die Reichsflagge hochgezogen, und bald darauf hatten in Papua deutsche Kriegsschiffe die Reichs-Kriegsflagge gehißt. Der damalige Reichskanzler, Otto von Bismarck, hatte am 23. Dezember desselben Jahres den anderen Mächten mitgeteilt, daß die Erwerbungen der »Neuguinea Compagnie« unter deutschen Schutz gestellt wären. Als Schutzzonen getarnt, baute das kaiserliche Reich bis 1918 im Osten des Pazifiks ein kleines, aber feines Kolonialgebiet auf, das der Fläche nach das Reichsgebiet um das doppelte übertraf.
Wen wundert es, daß der Vizepremierminister von Indonesien heute inständig darum bittet, daß die ausländischen Soldaten mit ihrem Kriegsmaterial sobald als möglich wieder heimfahren mögen. Der Außenminister Indonesiens ist sogar, trotz der schweren Not in seinem Land, zum heutigen Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Berlin gefahren, um ihm diese höfliche Bitte persönlich vorzutragen.