von Peter Braune, z. Z. Qazrin (Golan)
Ole und Wilhelm sind Offiziere. Ole ist Norweger, und Wilhelm ist aus den Niederlanden. Für die Dauer eines Jahres sind beide von den Vereinten Nationen als Beobachter auf die Golanhöhen geschickt worden. Dort befindet sich im Grenzgebiet zwischen Israel und Syrien ein Lager der UN, von dem beide am Morgen zu einer Patrouillenfahrt aufgebrochen waren.
Ich traf sie auf dem Parkplatz des Supermarktes in Qazrin, der Hauptstadt der Golanregion in Israel. Ihr weißer Geländewagen mit den schwarzen Buchstaben UN an den Seiten stand in der prallen Mittagssonne allein am äußersten Ende des Parkplatzes. Als ich an ihren Wagen trat, hoben sie ihre Arme zum Gruß an ihre roten und grünen Baskenmützen, auf denen jeweils in der Mitte ein Wimpel ihres Heimatlandes angebracht war. Über den Brusttaschen der gefleckten Feldblusen standen ihre Namen Ole beziehungsweise Wilhelm. Pistolen oder Revolver waren nicht zu sehen. Auf der Rückbank ihres Wagens lagen zwei Feldstecher, ein Funkgerät und einige Flaschen Mineralwasser. Kein Gewehr.
»Ja, wir sind unbewaffnet«, sagte Wilhelm, als ich beide auf Waffen hin ansprach, nachdem ich mich als deutscher Tourist vorgestellt hatte. »Unser Auftrag ist die Beobachtung des Grenzgebietes hier als auch auf der syrischen Seite. Wir wechseln täglich über einen Checkpoint zwischen beiden Staaten hin und her.« Warum ihre Namen nicht auf Hebräisch und Arabisch, sondern nur Lateinisch an ihren Hemden prangten, fragte ich. »Die Syrer akzeptieren kein hebräisches Wort an uns, an unserer Ausrüstung und in unserem Wagen. Darum sind selbst unsere Wasserflaschen ohne Aufschrift.« Ole lachte.
Ob sie denn ein wenig die Landessprachen ihres Beobachtergebietes gebrauchten, also etwas Hebräisch und Arabisch könnten, fragte ich. »Wozu sollten wir Hebräisch lernen? Hier spricht niemand mit uns. Niemals hat uns im letzten halben Jahr ein Israeli angesprochen.« Ein bitterer Unterton war aus Wilhelms Antwort herauszuhören. Und Ole fügte bedauernd hinzu: »Wir werden hier einfach ignoriert. Die Menschen tun so, als ob wir Luft wären.«
Meine israelischen Freunde hatten ihre Einkäufe beendet und hupten aus der Ferne.
Es war heiß, und ich konnte sie nicht warten lassen. Darum brach ich das Gespräch ab. »Na, waren das wieder zwei Herren von den Fidschi-Inseln oder aus Malaysia?«, fragte mich spöttisch mein Freund Naor. Seine Frau Inbal fügte bissig hinzu: »Die UN schickt ja meistens nur Moslems. Das nennen die dann neutrale Beobachter. Da kann ich nur drüber lachen. Die spionieren hier doch ganz offensichtlich für die Syrer herum.«
Unser Gespräch möchte ich hier nicht weiter protokollieren. Mein Argument, daß die Vereinten Nationen seit der Okkupation der Golanhöhen durch Israel den Frieden an dieser Grenze gesichert haben könnten, ging im Hohngeschrei meiner beiden Freunde unter. Helle Ablehnung ernteten sie dann dafür von mir, daß eben nur Zäune und Stacheldraht ein sicheres Leben garantierten. »Komme mir als Berliner keiner mit einer Mauer!« schrie ich. »Da seien die UN davor!« »Eure UN könnt ihr euch sonst wohin stecken! Hier gilt die spezielle Balance des Orients. Davon versteht ihr nichts, aber auch gar nichts!«
Bei der anschließenden Weinprobe bei Yarden waren wir dann aber wieder miteinander versöhnt.
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