von Manfred Orlick
Jeder kennt wohl das Wilhelm-Busch-Zitat: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!“ In unserem 21. Jahrhundert ist der Wahrheitsgehalt dieses Spruches offenbar fragwürdig geworden, denn neulich las ich an der Eingangstür meines Autohauses: „Vertrauen zu gewinnen dauert Jahre, es zu verlieren Sekunden“.
Dass diese Tatsache nicht nur auf Autohäuser, Baumärkte, Versicherungsvertreter oder den Frisör um die Ecke zutrifft, müssen wir in Sachsen-Anhalt bitter erfahren. Seit Jahren hat das Bundesland ein Problem mit seinem miserablen Image. Schließlich ist noch nicht einmal geklärt, ob wir Sachsen-Anhaltiner oder Sachsen-Anhalter sind. Selbst der CDU-Ministerpräsident musste jetzt den schlechten Ruf seines Ländchens öffentlich einräumen, was ihm harsche Kritik von allen Seiten einbrachte. Nun hatte aber gerade seine Partei in den neunziger Jahren die Kampagne von der „roten Laterne“ für Sachsen-Anhalt erfunden. Damals natürlich aus den Oppositionsbänken heraus zu Wahlkampfzwecken – was dann ja auch 2002 zum Erfolg führte.
Nachdem aber viele Sachsen-Anhaltiner, vor allem junge Leute, das mit der „roten Laterne“ für bare Münze nahmen und wegen schlechter Wirtschaftsentwicklung und niedriger Löhne dem Land zwischen Harz und Elbe den Rücken kehrten, war der Katzenjammer plötzlich riesengroß. Da war guter Rat teuer. Also ließ man sich die „Frühaufsteher“-Aktion einfallen. Mit dieser 2005 gestarteten Standortkampagne wollte das Bundesland sein Image aufbessern und vor allem verstärkt um Investoren und Touristen werben. Von Kinospots über Autobahnschilder bis hin zu Gratispostkarten – die Sache war nicht ganz billig, aber schließlich wollte man Geld ausgeben, um damit hoffentlich irgendwann Geld einzunehmen.
Während man an Rhein und Donau über das „Land der Frühaufsteher“ schmunzelte, stellte sich bald heraus, dass gerade der eigentlichen Zielgruppe, den jungen Sachsen-Anhaltinern, die ganze Kampagne irgendwie völlig egal war und sie weiter in Richtung Westen abwanderten. Also wieder ein Schuss in den berühmten Ofen.
Im Frühjahr diesen Jahres machte sich nun der S.-A.-Ministerpräsident auf nach … nicht nach Canossa … sondern ins schwäbische Musterländle, wo viele seiner Landeskinder eine neue Bleibe (vor allem besser bezahlte Arbeit) gefunden hatten. Außerdem hatten die Stuttgarter mit dem Slogan „In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt dafür niemand sitzen!“ die Magdeburger gehörig auf die Schippe genommen.
Also versuchte der Ministerpräsident, mit einem „Frühaufsteher“-Frühstück in Stuttgart das Comeback nach Sachsen-Anhalt schmackhaft zu machen. Um seine Landsleute zur Rückkehr zu bewegen, will der „Heimholer“ auch künftig in fremden Revieren wildern, das heißt, in anderen westdeutschen Bundesländern so genannte „Rückkehrer“-Stammtischrunden durchführen. Die Landeshauptstadt verschickte sogar schon an abgewanderte Fachkräfte Rückkehrer-Pakete. Über den Inhalt dieser „Heimatschachteln“ wurde viel spekuliert: eine Packung Burger Knäckebrot, eine Büchse Halberstädter Würstchen, eine Flasche Schierker Feuerstein … und ein Bild vom Ministerpräsidenten?
Bleibt nur zu hoffen, dass bei den verantwortlichen Schlafmützen in Sachsen-Anhalt die Wecker nicht nur zeitiger klingeln, sondern überhaupt.
Schlagwörter: Manfred Orlick, Rückkehrer, Sachsen-Anhalt