von Peter Braune
Schau Martin, wie die Diskette fliegen kann!« Silbern glänzte die kleine Scheibe in der Luft. »Papa, wieder werfen!« Der stolze Papa ließ das glitzernde Ding wieder und wieder hoch hinaus segeln, und Martin stolperte unter der Flugbahn über Gras und Disteln hinterher, so schnell ihn seine krummen Beine tragen konnten. »Wieder werfen!« »Jetzt ist es aber genug! Nun bringen wir zusammen die kleine Sonne wieder dahin, wo du sie gefunden hast«. Beide kamen auf meine Parkbank zu, von der aus ich zugesehen hatte. »Nun wirft unser Martin die Sonnensonne wieder in den Papierkorb!« Martin reckte sich, zögerte, sah mich mißtrauisch an und ließ die Diskette über den Rand des Blecheimers gleiten.
Im Spätsommer brauche ich immer Disketten, schon um Stare von meinen heranreifenden Weintrauben im Kleingarten abzuwehren. An einem Faden taumeln sie schillernd im Wind. Ich nahm sie mit. Bevor ich aber gefundene Disketten als Vogelscheuchen aufhänge, sehe ich neugierig auf meinem Computer nach, ob ich etwas sehen oder hören kann. Bisher waren leider alle Inhalte schreibgeschützt.
Lesen Sie selbst, was ich dieses Mal mit Hilfe von Martin und seinem Papa aus dem Müll hervorgezogen hatte und bilden Sie sich ein Urteil über den Autor!
Ich bekenne oder Versuche, mich fürderhin an die Weltliteratur anzuschließen
Ich hab es getragen sechzig Jahr, und kann es nicht tragen mehr.
Ach Archibald Douglas! Auch Du littest schwer,
auch die Effi in ihrem Romane,
Ach wäre ich doch nur Fontane!
Oder greife ich gleich zu Homer:
Singe den Zorn, o Göttin, des halben Kaschuben Günter,
ihn, der entbrannt den Deutschen unnennbaren Jammer erregte,
und viel tapfere Seelen der Heldensöhne in Verwirrung
sendete. So ward Odins Wille vollendet:
Seit dem Tag, als erst durch spätes Bekenntnis sich entzweiten
Dichter und Denker, ob seiner blinden Gefolgschaft zur Waffen SS,
der hehren Elite seines Volkes in seiner Jugendzeit.
Irgendwie stehe ich doch am Tor zur Hölle. Also sag ich mit Dante:
Durch mich geht man hinein zur Stadt der Trauer,
Durch mich geht man hinein zu dem verlornen Volke.
Wahrhaftigkeit trieb meinen hohen Schöpfer,
Mich zu entsagen meiner Lebenslüge:
Die höchste Weisheit und die erste Liebe
Galten nicht Gottes Allmacht und Gerechtigkeit,
sondern der Waffen SS in meiner Jugendzeit.
Vielleicht nehme ich doch die Verse dieses unbekannten mittelalterlichen Sängers:
Ich satzt uf enem Steine
unt dachte Bein mit Beine.
Sah im Wasser min Gesichte,
drin die Furchen der Geschichte.
Sak ich oder sak ich nit,
Teil ich all min Volke mit,
dasz ihr fürtan alle lest:
Herr Gunther wart inne SS gewest.
Das erscheint mir nun doch zu simpel. Da schau ich mal eben bei Grimmelshausen vorbei:
Ich wurde durchs Feuer wie Phoenix geborn,
ich flog durch die Lüfte, wurd doch nicht verlorn.
Ich fuhr schwer gepanzert über Land.
In solchem Umschwärmen macht ich mir bekannt,
was euch itzt betrübet und selten ergetzt,
min Frundsberger Haufen hatt viele gehetzt
nicht nur zum Kampf auf dem Feld, zapperlot,
sondern hinein in den bitteren Tod.
Nein! Schlag nach bei Shakespeare und schau in sein Wintermärchen:
O Hermione!
Wie jede Gegenwart sich prahlend höher
als bessre Vorzeit stellt; so wird dein Grab
auch jetzt geschmäht vom Neusten. Ach Günter,
Du sprachst und schriebst (doch nun ist Deine Schrift
kalt, wie ihr Gegenstand).
Besser, ich sag es mit dem Heroen, dem Unerreichbaren, dem Fürsten meiner Zunft!
Habe nun ach! Schreiber-,
Maler- und Bildhauerei
Und, leider! auch Panzerfahren
In meines Lenzes Jahren
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Ach! wie war ich damals noch kühn.
Mit letzter Kraft will ich itzo bekennen,
ich mußte mich Waffen SSler nennen.
Oder wähle ich Heinrich, den Spötter mit der scharfen Zunge?
Es gibt zwei Sorten Ratten:
die hungrigen und satten.
Die satten blieben feige zu Haus,
wir hungrigen aber zogen hinaus.
Als radikale Rotte.
Wußten wir nichts vom Gotte.
Das Runenbanner flog uns voran,
an das wir glaubten, Junge und Mann.
Auch Eichendorff liegt mir nicht fern, der hat so romantisch gesungen.
Siehst Du die Wälder glühen,
die Ströme flammend sprühen.
Funken und Feuer haben entfach,
wir Jungen von der SS-Panzermacht.
Zuletzt versuche ich den Jonathan Swift.
Der hat so schön den Gulliver verschifft.
Und war zudem ein Romancier.
Ein früher Meister aus meinem Metier:
Mein Vater besaß kein kleines Gut in Nottinghamshire, sondern einen Gemischtwarenladen in Danzig. Als ich siebzehn Jahre alt war, verkaufte ich meine ehrliche Haut an die Waffen SS, wo ich bis zu meiner Gefangenschaft als Frundsberger Dienst tat. Da jedoch nach meiner Entlassung die Kosten meines Lebensunterhaltes für ein geringes Vermögen zu groß waren, wurde ich in einem Bergwerk in die Lehre gegeben. Von Zeit zu Zeit schickte mir mein Vater kleine Geldsummen zum Erlernen der Malerei, Bildhauerei und Schriftstellerei.
Ach, ich armes Zwiebelchen!
Schlagwörter: Peter Braune