13. Jahrgang | Nummer 14 | 19. Juli 2010

ANTWORTEN

Horst Köhler, ehemaliger Bundespräsident – Sie tummelten sich schon einen Monat nach ihrem Rücktritt wieder unbefangen in der Öffentlichkeit. In Füssen besuchten Sie gemeinsam mit Ihrer Frau Eva den Ex-Bundesfinanzminister Theo Waigel und dessen Gattin, die Ihnen die ersten Alpenrosen zeigen wollten. Zuvor besuchten Sie einen Gottesdienst einer dortigen Evangelischen Gemeinde und plauderten beim anschließenden Sommerfest über zwei Stunden mit den Gemeindemitgliedern. Sehr aufgekratzt und fröhlich seien Sie dabei gewesen, berichteten Teilnehmer. Nur wiederholte Fragen nach den tatsächlichen Gründen Ihres Rücktritts hätten Sie nicht beantwortet. Recht so! Als ehemaliger Bankmanager wissen Sie natürlich, das bei Fragen, bei denen es ums Eingemachte geht, allemal gut beraten ist, wer dem bekannten Motto folgt: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Joachim Kardinal Meißner, Erzbischof von Köln – Sie zeigten sich jetzt, schon wenige Monate, nachdem das ganze Ausmaß der Verfehlungen offenkundig geworden war, schockiert über die Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche, und meinten: „Noch im Januar hätte ich mich eher einsperren lassen, als anzunehmen, daß das alles wahr ist.“ Bei gleicher Gelegenheit erwiesen Sie sich einmal mehr als glühender Verfechter des Zölibats, und endlich können auch wir Ihre Position verstehen. „Überzeugend gelebt“, so erläuterten Sie, „ist der Zölibat immer noch der schlagendste Gottesbeweis.“ Und während wir noch erstaunt die Luft anhielten, fuhren Sie fort: „Bei einem Zölibatär muß man immer sagen: Entweder ist der verrückt, oder es gibt Gott.“ Die Abschaffung des Zölibats käme also quasi der Abschaffung Gottes gleich, und das wäre von Ihnen nun wahrlich zuviel erwartet.

Gerald Weiß, stellvertretender Vorsitzender der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in der CDU – Sie fordern, Beleidigungen unter Regierungskoalitionären – wahlweise als „Rumpelstilzchen“, „Wildsäue“ oder „Gurkentruppe“ – sollten künftig Geld kosten und brachten dafür einen Strafkatalog ins Gespräch: „Die Bürger verlangen Anstandsregeln. Wenn die dauerhaften Beleidigungen nicht aufhören, könnte zum Beispiel über einen Maßnahmenkatalog nachgedacht werden.“ Das fänden wir ganz prima. Noch besser fänden wir es allerdings, wenn Sie auch einen Bußgeldkatalog für die misslungenen Maßnahmen der diversen Rumpelstilzchen, Wildsäue und Gurkentruppen im Regierungslager ins Auge faßten. Spiegelbildlich könnten für das Unterlassen bestimmter Maßnahmen – wie etwa Steuergeschenke an Hoteliers – Prämien ausgelobt werden. Sie sehen – Ihre Anregungen eröffnen ein weites Feld.

Karl-Theodor zu Guttenberg, Verteidigungsminister – Laut Umfragen sind Sie Deutschlands beliebtester Politiker. Seit Neuestem bewegen Sie häufiger per Fahrrad durch die Berliner Innenstadt – „eine rein sportliche Betätigung“, wie Sie äußerten. Sorgen müssen die Bürger sich um ihren beliebtesten Politiker trotzdem nicht, wie ein Sprecher Ihres Ministeriums deutlich machte: Sie seien stets von Personenschützern eskortiert. Der Sprecher warf auch gleich noch einen Blick in die Zukunft: Für Eskorte würde ebenfalls gesorgt, sollten Sie demnächst auf Rollschuhe umsteigen. Der Sprecher sagte darüber hinaus, es sei Ihnen klar, daß Sie mit Ihren Zweiradsolos „nicht das Weltklima“ retteten, zumal Ihnen ab und an die Dienstlimousine hinterher fahre. Da sind wir nun aber doch besorgt: Stößt die „rein sportliche Betätigung“ etwa schon an physische Grenzen? Sie sind doch noch keine vierzig …

Norbert Röttgen, Bundesumweltminister – DER SPIEGEL bescheinigte Ihnen, angesichts der derzeit schwachen Performance der Bundesregierung Selbstironie zu beweisen. Als Sie im sächsischen Freiberg zur Eröffnung einer neuen Produktionsfabrik der Solarworld AG antraten, mussten Sie sich zunächst Kritik anhören. Der Vertreter der schwarz-gelben sächsischen Landesregierung, Sven Morlok, (FDP), beklagte Ihre „abrupte Absenkung der Solarförderung“, die zum 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist. Bevor Sie zu einer Replik ansetzen durften, kam jedoch im Rahmenprogramm ein Freiberger Kinderzirkus mit verschiedenen Balanceakten zum Einsatz. Dann traten Sie – unter schwachem Beifall, wie DER SPIEGEL festhielt – ans Rednerpult und hätten sich artig für den „freundlichen Empfang“ bedankt, insbesondere dafür, daß die Anmoderation „keinen Bezug zwischen Kinderzirkus und Bundesregierung hergestellt“ habe. War da wirklich nur Selbstironie im Spiel oder nicht viel mehr ein Geist, der klar erfaßt, was ist? Guter Kinderzirkus gilt schließlich als höchst anspruchsvolle Sache, und die Beteiligten offenbaren nicht selten ein Maß an Professionalität, um das sie so mancher in der Welt der Erwachsenen nur beneiden kann.