Des Blättchens 9. Jahrgang (IX), Berlin, 26. Juni 2006, Heft 13

Hans Leonard und die Nachkriegs-Weltbühne

von Simone Barck

Als Hans Leonard im Dezember 1966 erst 64jährig in Berlin verstarb, hatte er noch im Sommer zwanzig Jahre des Wiedererscheinens des »Blättchens« im Kreise seiner Mitstreiter feiern können. 2006 soll dieses Mannes, ohne den es die Nachkriegs-Weltbühne nicht gegeben hätte, anläßlich des 60. Jahrestages des Wiedererscheinens der Weltbühne. Wochenschrift für Politik Kunst Wirtschaft und seines 40. Todestages gedacht werden.
Es war dem Engagement und Mut des gelernten Verlagskaufmanns und einstigen Volontärs bei Siegfried Jacobsohn zu danken, daß im Juni 1946 die legendäre rote Zeitschrift, die seit 1933 verboten, im Exil noch bis 1939 herausgekommen war, im Geiste Jacobsohns, Ossietzkys und Tucholskys wieder für Demokratie und Frieden, gegen Militarismus und Faschismus zu streiten begann.
Leonard war bei dieser Neugründung des alten Blattes den Bitten Maud von Ossietzkys, der Witwe des an den Folgen der KZ-Haft verstorbenen Nobelpreisträgers Carl von Ossietzky, nachgekommen. Seit 1938 mit ihr persönlich bekannt und benachbart in Berlin-Pankow die Verfolgungen der Nazis überstehend, fungierten Maud von Ossietzky (eher symbolisch denn faktisch) und Hans Leonard als Herausgeber der Weltbühne. In seiner zwanzigjährigen Chefredakteurszeit profilierte sich Leonard, der sich zunächst nur auf einem »Übergangsposten« sah, zu einem allseits geachteten Verleger und Redakteur, der allerdings höchst bescheiden fast ganz hinter seinem Blättchen verschwand und dessen Name daher wenig öffentlich präsent war. Das unterschied ihn von den berühmten Vorgängern, in deren Ehren-Dienst er sich sah und deren Texten er einen breiten Raum im Blatt (nicht zuletzt auch in zahlreichen Sondernummern) einräumte. Er organisierte umsichtig und redigierte sorgfältig, war um seine Mitarbeiter und Autoren solidarisch bemüht. So ist überliefert, wie er im kalten und hungernden Nachkriegsberlin Kohlen und Brot für seine Mitstreiter verteilte; damals wichtiger als die Honorare. Die sich in den fünfziger Jahren entwickelnde besondere, unbürokratische Weltbühnen-Atmosphäre hat Lothar Kusche als »zu Hause in einer Redaktion« charakterisiert. Eine noch zu schreibende Geschichte der DDR-Weltbühne wird den Anteil Hans Leonards an Konzept und Machart des »Blättchens« genauer zu bestimmen haben, den Maßstab prüfen, den er seiner Arbeit zugrunde gelegt hatte: den Kampf gegen die »Unheilsmächte der Vergangenheit« zu führen und der »Freundschaft mit allen Völkern dienend«.

Quelle der erstmals veröffentlichten Dokumente: Redaktionsnachlaß der »Weltbühne«, Zentrum für Zeitgeschichtliche Forschungen Potsdam