15. Jahrgang | Nummer 24 | 26. November 2012

Waechter, der zeichnende Humorist

von Thomas Behlert

Nachträglich zum 75. Geburtstag von F.K. Waechter brachte sein „Leib und Magen“-Verlag Diogenes unter anderem sein erstes großes Buch „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“ als Original heraus, ganz ohne Bonus und Remixe. Und trotzdem hätte man sich einen kleinen Nachsatz gewünscht, denn junge Leute, denen man dieses Buch unbedingt schenken sollte, wollen ja wissen, wer solch tolles Zeug gezeichnet hat und was mit ihm ist oder war.
Da tauchen zärtlich gestaltete Bilder wieder auf, die seit langem im Gedächtnis hausen, man sie aber nicht mehr zuordnen konnte. Ach, wie lacht der Mensch, wenn er die verschmitzt schauende nackte Frau auf der Liege sitzen sieht, die sich nach dem Akt über den Partner amüsiert, dessen Brustbehaarung Afrika ähnelt. Oder gar Huhn und Hahn, die den Zungenkuss ausprobieren und sich fragen, ob sie es toll finden. Schließlich noch die Eule, die mit ihrem geschenkten Norweger Pullover der schickste Vogel im Wald ist.
Immer wieder lacht der Betrachter über Gott, der den Laden im Griff hat, aber trotzdem schnell in Flammen stehen kann. Zu sehen und zu bewundern sind weiterhin die verdammt lustigen Bildgeschichten, die Waechter im Laufe der Zeit noch verfeinerte und in den besten Magazinen zur Schau stellen konnte.
Alles beginnt 1937 in Danzig, als Friedrich Karl zur Welt kommt. Viel Freude hat er nicht in seinen ersten Jahren, denn es ist Krieg, sein Vater fällt bereits 1941 und seine Mutter muss mit den Kindern1945 übers Meer fliehen. Danach wird das Leben auch nicht besser, denn es kommen die Jahre (1945 bis 1957) in der Lauenburgischen Gelehrtenschule in Ratzeburg. Hier teilen alte Nazilehrer Schläge aus und lassen keine Freiheiten zu. Dennoch kann der halbwüchsige Friedrich erste Zeichen setzen, da er die Schülerschaft mit lustigen Zeichnungen erfreut und gar den ersten Zeichenauftrag, ein Schulkamerad wollte eine nackte Frau gezeichnet haben, zur Zufriedenheit aller erfüllt. Danach steigt er bei einer Werbefirma ein und entwirft Etiketten für Friseurartikel und Aufsteller für Sonderangebote. Erste Bilder erscheinen in der Zeitung „Twen“.
Die anschließende Übersiedlung nach Frankfurt am Main ist für die Menschheit ein Segen, denn er arbeitet fleißig bei „Pardon“ mit und entwickelt gar mit Robert Gernhardt und F.W. Bernstein für eben dieses Blatt die geniale Blödsinnseite „Welt im Spiegel“. Da aber der immer eigenartiger werdende „Pardon“-Chef Nikel die schönsten Bilder ablehnt, wendet sich Waechter dem Kinderbuch zu und erweckt den Anti-Struwwelpeter zum Leben. Der Film „Hier ist ein Mensch“, ein Clownsstück für die städtische Bühnen Frankfurt folgen und 1978 der erste größere Cartoonband „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“. Nur ein Jahr später gründet Waechter mit einigen anderen Künstlern, die zur Frankfurter Schule gehören, die verehrte Humorzeitung „Titanic“. In dieser Zeit meint er zu seiner Arbeit: „Vor allem berauscht mich, dass ich Geld, Liebe und Anerkennung nun für das bekomme, wofür ich auf der Lauenburgischen Gelehrtenschule Prügel und wütendes Gebrüll erntete: nämlich für Frechheiten, Bosheiten und Geschmacklosigkeiten.“
Doch mit zeichnen ist es nicht getan, vielmehr gestaltet der Künstler eigene Ausstellungen, produziert Filme, entwickelt Theaterstücke und nimmt Lehraufträge in Salzburg und Hamburg an. Mitte der 1990er Jahre inszeniert er die „Eisprinzessin“ am Staatstheater Hannover und geht einige Jahre später mit dem Objekttheater „Singende Knochen“ auf Lese-Tournee, wo Zeichnungen mit Theater kombiniert werden.
Da F.K. Waechter das Wörtchen „Ruhe“ nicht kennt, malt er außerdem Zeichnungen neu, die ihm von der Idee gefallen, von der Ausführung her jedoch nicht mehr genügen.
Am 16.09.2005 stirbt F.K. Waechter in Frankfurt am Main viel zu früh.

Ab 9.9.2012 Ausstellung in der Stadtbibliothek Reutlingen;
Vom 2.11.bis 31.12.2012 „Aus dem literarischen Nachlass“, Haus des Börsenvereins des deutschen Buchhandels Frankfurt/ Main;
F.K.Waechter: „Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein“, Diogenes Verlag, 2012, 120 Seiten, 15 Euro