von Reinhard Wengierek
„Sie hat ein ovales Mädchengesicht, unbedingte Augen, ist 1,64 groß, nicht eben prächtig einherwandelnd im Fleische“, schrieb Egon Günther 1971 über Jutta Hoffmann. Da war sie, „das kleine Mädchen aus Halle-Nietleben“, gerade dreißig. Und längst berühmt durch Theater und Film. Und bei der DEFA fand sie auch „ihren“ Regisseur, der mit der starken Zarten einen ganz eigenen, ganz subjektiv grundierten sozialistischen Realismus entwickeln wollte, was durch die poststalinistischen Verhältnisse bald abbrach („Junge Frau von 1914“, „Die Schlüssel“, „Der Dritte“, der ihr 1972 bei den Filmfestspielen Venedig den Silbernen Löwen einbrachte als „Beste Darstellerin“).
Jutta Hoffmann: „Egon hat mich bestärkt, mich auf eine Rolle einzulassen und zugleich aus ihr herauszutreten.“ – Partielle Identifikation und partielles Bei-sich-, also Privat-Bleiben; diese intensive Spannung machte das besondere Spiel der Hoffmann so schön und so aufregend und ihr DDR-BRD-Leben einigermaßen kompliziert.
Überhaupt: Sie ist, wie jeder große Künstler, eine Schwierige; bestürzend erinnernd an ihre just so früh verstorbene Kollegin Susanne Lothar. Und ziemlich scheu, obwohl sie lebenslang nichts anderes sein wollte als Schauspielerin. Sie ist, sagt Egon Günther, „nicht unterdrückbar“. Thomas Langhoff lakonisch: „Eine kluge Frau mit Humor.“
Nach Jutta Hoffmanns Protest gegen die Biermann-Ausbürgerung 1976 wurde es eng mit Rollenangeboten. Doch noch gehörte sie (seit 1973) zum Berliner Ensemble. Und 1975, unter der so innovativen Kurz-Intendanz von Ruth Berghaus, da gelang ihr mit Jürgen Holz und Anemone Haase unter der (für DDR-Verhältnisse) bahnbrechenden Regie von Einar Schleef und B.K. Tragelehn eine Theatersternstunde mit Strindbergs „Fräulein Julie“. Ein epochales Kunststück. Weit in die Zukunft weisend; obgleich es – die Brecht-Erben-Ost und Hardliner Manfred Wekwerth schossen aus allen Rohren – alsbald vom Spielplan verschwand. Sozusagen als Entschädigung gaben die DDR-Behörden grünes Licht für West-Arbeit. Die Hoffmann durfte an die Schaubühne zu Luc Bondy, dann zu Dieter Dorn nach München und schließlich zu Peter Zadek ans Hamburger Schauspielhaus. Im Westen gab es große Rollen, auch im Unterhaltungs-TV: In Wolfgang Menges scharfer Satire-Serie „Ein Herz und eine Seele“; oder, nach 1990, als spröde, vom Menschenelend mitgenommene, schwer skrupulöse „Tatort“-Kommissarin. Unvergesslich. Derweil lehrte Hoffmann von 1992 bis 2006 als Professorin an der Hamburger Theaterhochschule. Dort war der Dramatiker und Regisseur Falk Richter (erst Schaubühne, jetzt Düsseldorf) ihr bester Assistent.
Dieses durch die Verhältnisse exemplarisch gebrochene, aber auch besonders stimulierte, doch glücklicherweise nicht zerbrochene Künstlerleben wird erinnerbar (oder ahnbar) in einem Bilderbuch mit vielen Kollegen- und einigen Selbstzitaten – die weise Hoffmannsche Zurückgenommenheit im Reden über sich und den Beruf. Aber sie weiß genau, was sie geleistet hat. Und das, was ihr wohl überhaupt nicht passt am heutigen Spielbetrieb, das wird eher durch die Kollegen deutlich.
Im letzten Jahr, zu Hoffmanns Siebzigsten, gab es im Potsdamer Filmmuseum eine feine Geburtstags-Ausstellung. Davon ausgehend haben die Kuratoren Warnecke und Scholz jetzt, quasi zum 71., ein aufregendes Bilderbuch gemacht. Sozusagen ein großartig illustriertes, trefflich kommentiertes Arbeitsverzeichnis; wie ein Almanach, wie ein Retro-Kaleidoskop. Mit korrektem Register im Anhang. Aber mit nichts aus dem Nähkästchen, das freilich auch interessiert hätte. Wer also schreibt endlich die große Jutta-Hoffmann-Biografie?
Peter Warnecke/Birgit Scholz: Jutta Hoffmann. Schauspielerin, Das Neue Berlin, Berlin 2012, 192 Seiten, 19,95 Euro
Schlagwörter: Birgit Scholz, Das Neue Berlin, Jutta Hoffmann, Peter Warnecke, Reinhard Wengierek