Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 24. Dezember 2007, Heft 26

Meng Ming in Berlin

von Wolfram Adolphi

Von Goethe ist überliefert, daß er zum West-Östlichen Divan sich angetrieben fand durch das Gefühl, vor der »mächtigen Erscheinung« der persischen Dichtung nicht anders bestehen zu können als durch eigene, das Fremde aufnehmende Produktivität.
So ähnlich scheint es dem chinesischen Maler Meng Ming, geboren 1962 in Tai’an in der Provinz Shandong, bei der Begegnung mit europäischer Malerei zu gehen. Von der klassischen Tuschemalerei herkommend, hat er sich in der Technik dem Aquarell und in der Darstellungsweise dem Spiel von Licht und Schatten zugewandt, und so scheinen sich in Gemälden wie Winter in Shizaigou, Schneelandschaft oder Goldenes Seeufer die philosophischen Landschaftsbetrachtungen des Xia Gui oder des Muqi – beide lebten im 13. Jahrhundert – mit denen des Caspar David Friedrich zu begegnen, und aus Morgendämmerung am Seedorf oder Frühe Morgenmelodie sind unschwer Zitate des französischen Impressionismus herauszulesen.
Dies anzuschauen ist spannend – und vielleicht auch gerade deshalb, weil die Gemälde dieser kleinen Ausstellung von sehr unterschiedlichem Anspruch und rasch sich änderndem Stil sind. Meng Ming – das ist einer, der auf der Suche ist, noch gar nicht fest in dem, was endlich das unverwechselbar Seine werden soll. Am Südsee zeigt eine Dorflandschaft in gedämpften Grün-, Braun- und Grautönen; Nong zhuang hingegen, ein Bergdörfchen vorm Felsen- (oder Wolken-?)gebirge darstellend, schwelgt in kräftigsten Lila- und Rottönen – so sehr, daß der Maler einen Titel gewählt hat, der kaum ins Deutsche zu übersetzen ist. Starke Verfassung heißt das Bild im Katalog, auch mit »kräftiger Schminke« könnte man die beiden Silben übersetzen, aber was sollen diese Worte: Die geheimnisvolle, farbenpralle Stimmung des Bildes bedarf der Übersetzung nicht.
Meng Mings Genre ist die Landschaftsmalerei. Vielfach hat er seine Motive am Lijiang gefunden, jenem sanft dahingleitenden Fluß in der Provinz Guilin, der durch die bizarr aus dem Wasser steigenden Felsen zu einer der großen Sehenswürdigkeiten in China geworden ist. Immer wieder gibt es Berge und Brücken auf seinen Bildern, mal klar und schwer konturiert, mal sanft verschwimmend, mal philosophisch grundiert, zuweilen aber auch mit einem Hang zum allzu leichthin Gefälligen. Menschen tauchen auf den Bildern nur selten auf. Knapp stilisiert sind sie dann zu sehen, klein sind sie plaziert irgendwo im Mittel- oder Hintergrund, immer jedoch mit einer die Konstruktion des Bildes bestimmenden Funktion – wie etwa in Nebel, wo eine zierliche Ziegenhirtin ihren Hirtenstab der blaß den Wolkendunst durchdringenden Sonne entgegenhebt: winzig die Gestalt, weit und schier endlos der Himmel überm schlängelnd die Felder teilenden Fluß.
Die Vernissage am 11. Dezember vermittelte einen spannenden Eindruck nicht nur von den Bildern selbst. Auch die Art, wie Meng Ming mit seinen Werken nach Deutschland gekommen ist, ist bemerkenswert. Da gibt es einen (chinesischen) Kommilitonen des Künstlers, der privater Unternehmer geworden ist und nun dem malenden Freund finanziell untere die Arme greift. Da gibt es Vereine wie Teehausgalerie – Gesellschaft für deutsch-chinesischen Künstler- und Kulturaustausch Potsdam e.V. und Deutsch-Chinesischer Freundschaftsverein e.V. Ludwigsfelde, die gemeinsam mit chinesischen Partnern die Ausstellung auf den Weg gebracht haben. Und da gibt es Sponsoren wie die Brandenburgische Kulturstiftung Cottbus und das Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus, die die Bilder von Meng Ming im Juli 2007 in Cottbus gezeigt haben, und nun den Ostdeutschen Sparkassenverband, der die Gemälde in Berlin in die Öffentlichkeit bringt.
Nein, eine gewaltige, Schlagzeilen machende Ausstellung ist das nicht. Hier geht es weder um eine Exportoffensive noch um die wuchtige Präsentation vieltausendjähriger Kulturgeschichte – hier geht es einfach »nur« um Künstleraustausch, um Begegnung »von unten«. Und solches Anliegen erfreut sich bedauerlicherweise nur höchst selten einer angemessenen Finanzausstattung.
Das hat hier vor allem den Katalog getroffen. Die Wiedergabe der Bilder ist akzeptabel – die Übersetzung schauderhaft. Watercoler Anstriche von Mengming steht auf dem Titelblatt des kleinen Büchleins, wo es doch ganz gewiß Meng Ming Aquarelle hätte heißen sollen, und so setzt sich das Übel im Begleittext und bei etlichen Bildtiteln fort. Das ist schade, kann aber am Ende die Freude an den Bildern nicht wirklich schmälern. Und spiegelt eben auch treffend die Realität, denn irgendwie paßt es ja zusammen: das Suchen des Künstlers Meng Ming nach Brücken zwischen unterschiedlichen künstlerischen Welten mit dem Suchen seiner Freunde und Förderer nach einer Art der Begegnung, die das Provisorium in Kauf nimmt, damit die Brücken überhaupt gebaut werden können – auch dann, wenn es abseits allen Mainstreams ist.

Die Ausstellung »Meng Ming Aquarelle« ist bis zum 12. Januar 2008 zu sehen im Foyer des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) in Berlin, Leipziger Straße 51.