Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 10. Dezember 2007, Heft 25

Verbotsverbot

von Heinz W. Konrad

Ich möchte hier klarstellen: Ich bin gegen ein Verbot der NPD! Nicht, weil ich diese Partei mag; mein Gott, wofür halten Sie mich? Und auch nicht, weil ich denke, daß man die völkischen Intelligenzdenunzianten hierzulande oder wo auch immer bräuchte. Diese Partei und ihre Kombattanten sind durchaus schon das, was ihnen junge Antifas in kindermundartlicher Putzigkeit zurufen: Scheiße!
Aber eben: Mit Verboten erreicht man gar nichts; verbieten Sie mal Scheiße. Im Gegenteil – oft initiiert man ein »Jetzt-erst-recht-Trotzverhalten« gerade dadurch, daß man etwas untersagt. Hätten mir meine Eltern zum Beispiel dereinst das Rauchen verboten, vielleicht noch unter der Androhung von Strafen, ich hätte heute schon mindestens ein Raucherbein. Habe ich aber nicht, denn ich rauche nicht, damals wie heute, schon weils mir niemand verboten hatte.
Oder, um wieder in gesellschaftliche Dimensionen zurückzukehren: Würde der mainstreamige Antikommunismus in diesem Land durch ein Verbot der LINKEN oder auch nur der KPD-ML »Vierte Internationale« gekrönt: Die kommunistische Bewegung in Deutschland hätte umgehend eine Massenbasis. Daß sich die Siegerjustiz ein solches Verbot trotz des immer wieder aufkeimenden Rufes danach bislang versagt hat, ist so gesehen ganz schön clever.
Nochmal: Verbot ist blöd! Man muß vielmehr auf das Bewußtsein einwirken, erzieherisch, ja aufklärerisch tätig sein; auch unter der jungen Gefolgschaft der Braunen. Das erfordert einen längeren Atem als das Verbieten. Gewiß, aber es bleibt das eigentliche Erfolgsrezept. Auf die Entdeckung des Dummheitsgens und dessen stammzellengestützten Ersatz durch eine Harmlosigkeits-DNA sollten wir besser nicht setzen. »Wir können doch über alles reden!«, muß die Devise heißen und nicht »Wegschließen!«
Beweise dafür, daß Verbote allein nichts nützen, gibt es in Hülle und Fülle. Und weil das so ist, hat meine Forderung denn auch einen viel umfasserenden Ansatz: Ich verlange die Aufhebung aller dreißig Straftatbestände des StGB! Denn seien wir ehrlich: Hat das darin implizierte Verbot, jemanden zu töten, jemals das Morden verhindert? Haben die einschlägigen Gesetzestabus den Diebstahl, die Körperverletzung, Betrug, Bestechung, Insolvenzverschleppung etc. pp. ausgeschlossen? Wimmelt es nicht von Verkehrsunfällen, obwohl die meisten Ursachen dafür in der STVO allesamt ausdrücklich verboten sind?
Ein Blick in das Statistische Jahrbuch der belehrt uns eines besseren: 6391715 Straftaten sind 2005 registriert worden (was nicht heißt, daß es nicht viel mehr gab); alles Delikte, die verboten sind! Mord und Totschlag: 2396 Mal! Gefährliche und schwere Körperverletzung: 147122 Mal! Schwerer und einfacher Diebstahl: 2727048 Mal!
964754 Täter sind 2005 verurteilt worden – hätten wir mal besser das StGB abgeschafft und dafür mit all denen geredet!
Also: Statt die NPD zu verbieten, selbst wenn sie laut deutschem Verfassungsschutzchef Fromm »eindeutig verfassungsfeindlich« ist, sollten wir es halten, wie weiland schon Kurt Tucholsky anregte: »Küßt die Faschisten, wo ihr sie trefft.« Und: Redet mit ihnen! Für geschliffene humanistische Argumente sind sie doch ganz bestimmt empfänglich.