von Liesel Markowski
Eine »porcheria tedesca« hat die Kaiserin diese Oper genannt: Mozarts La clemenza di Tito, zur Krönungsfeier ihres Gatten Leopolds II. 1791 in Prag uraufgeführt. Da erschien der Fürstin zu recht etwas »quer« im Huldigungsstück, der bis dato bereits mehr als vierzig Mal vertonten Staatsaktion auf den Text des routinierten Seria-Librettisten Pietro Metastasio. Auftraggeber waren nämlich die Böhmischen Stände, und sie wollten die Milde des antiken Herrschers Titus – in Erinnerung an den aufgeklärten Joseph II. – dem neuen Kaiser beispielgebend vorführen. Mozart war hier der rechte Adressat: Er hat die alte höfische Seria mit Hilfe des geschickten, in Dresden wirkenden Textdichters Caterino Mazzola zu einer, wie er wollte, »wahren Oper« gemacht. Ein konfliktgeladenes Mit- und Gegeneinander der Protagonisten, leidenden, kämpfenden Menschen – eben »eine deutsche Schweinerei«, erfüllt von aufklärerisch humanem Geist. Die Nähe der gleichzeitig entstehenden Zauberflöte ist unüberhörbar, schon in der Ouvertüre.
Die Neuinszenierung des Titus in Berlins Staatsoper hat das offenbar nicht beherzigt, sie läßt entsprechende szenische Konsequenz offen. Liebe, Freundschaft, Verschwörung um den Römerkaiser, die Katastrophe des brennenden Kapitols, der angeblich ermordete, doch unverletzt gebliebene, schließlich alles und allen vergebende Titus kommen seltsam blaß und unakzentuiert daher. Regisseur und Bühnengestalter Nigel Lowery hat das Ganze mit Blick auf Gültigkeit gewissermaßen in allen Zeiten angesiedelt, damit aber unscharf gemacht: Kostüme vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert reichend, vorwiegender Handlungsort ein düster altertümlicher Schloßhof mit Bogenfenstern, die Brandnacht eine Farce. Das Bühnengeschehen vollzieht sich darin ohne eigentliche Regie-Impulse: Unmotiviertes Hin- und Herlaufen oder Eckenstehen der szenisch profillosen Figuren. Dazu eine drastische, ins Absurde laufende Lichtregie (Lothar Baumgarte): Plötzliches An- und Abschalten von gelb-warmen »Sonnenstrahlen« oder kalt blendenden Neonlampen für gesungenes Gutes oder Böses, peinlich und unangenehm.
Theatralisches wirkte weit entfernt vom Wesen der humanen Utopie in Mozarts Musik. Zeitübergreifendes, wie das Prinzip von Toleranz, war ausschließlich im Musikalischen präsent. Es hatte zum Glück genug Raum quasi neben der Szene in fesselnder Wiedergabe unter Philippe Jordan mit der ausgezeichneten Staatskapelle und einem vorzüglichen Gesangsensemble nebst Chor. Aus den dramatischen Arien und Duetten des Titus (Roberto Sacca), der intriganten Vitellia (Melanie Diener) oder des schwankenden Sextus (brillant, Elina Garanca) strömte Mozarts überzeitliche Botschaft des Menschlichen.
Schlagwörter: Liesel Markowski