Des Blättchens 10. Jahrgang (X), Berlin, 5. Februar 2007, Heft 3

Menschensichten

von Max Hagebök

Was hatte ich für einen Spaß, als ich die Menschen schuf. Papa hatte mir den Lehm zu meinem Geburtstag geschenkt. Die beiden Puppen konnten richtig fröhlich sein. Überall fühlten sie sich wohl. Dazu habe ich ihnen einige kleine Lebewesen gebastelt. Nachts lagen alle gemeinsam auf der Erde und wärmten sich.
Gott

Liebe Menschen, ich habe die Schnauze gestrichen voll. Vor einigen Jahrtausenden hat mein dämlicher Sohn euch wohl ausgestattet mit Grips und Händen, mit Weiblichkeit und Männlichkeit, mit Seele und Verstand, damit ihr euch liebt und vermehrt. Ich ließ euch ernten und jagen, damit ihr mit vollem Bauch der Liebe frönt. Die Weltformel war ganz einfach. Eins und Eins sind mehr als zwei.
Gottvater

Die Engel trugen den Vorhang für das große Theater zur Reinigung. Der Stoff war in die Jahre gekommen, und die Flecken aus Blut und Schweiß waren mit dem Fleckenwasser nicht mehr herauszubekommen. Deshalb befahl ich, den Vorhang wegzunehmen und zu reinigen. Da sah ich die kleinen Gierigen, die sich schlagen, töten und lieben. Sie sind nicht das, was ich wollte. Die Produktion ist nicht gelungen.
Der wirkliche Gott

Verschmitzt grinsend sitzen wir Urahnen der Sozialisten um den Tisch und prosten uns zu. Wir lachen, daß es immer noch niemand verstanden hat, unser Rätsel zu lösen. Die vielen Versuche scheiterten, da keiner begriff, daß unser Hunger nach einer phantasievollen Reise nicht für die Realität gemacht war. Das Leben bleibt ein ewiges Rätsel. Sie hätten eigenen Träume leben sollen.
Karl Marx

Gestern mit Hinkebein gesprochen. Habe nie gedacht, daß es ein Volk gibt, das für mich mordet. Doch die Deutschen sind großartig. Perfekt in der Organisation und nicht übermäßig kreativ. Die haben eine sensationelle Zukunft vor sich. Sie werden immer andere finden, die an dem eigenen Dilemma schuld sind. Morgen werde ich einige Bilder und Filme von mir und Eva so verstecken, daß sie 2000 von einem Historiker gefunden werden. Nachrufe sollten nicht von Überlebenden gemacht werden.
Hitler

Ich habe Millionen ermordet, weil ich nie an den Traum der Urahnen der Sozialisten geglaubt habe. Für Gott habe ich nur ein müdes Lächeln übrig. Die Gierigen sind nicht glücklich ohne die Knute im Genick. Deshalb befahl ich, sie sterben zu lassen. In den Momenten, wo sie wußten, daß ihr Leben vorbei ist, schienen sie mir glücklicher als am Anfang. Gelobt sei mein Name, und ich danke denen, die mich heute noch lieben.
Stalin

Meine kleine Katze hat wieder ins Zimmer gemacht. Habe die kleine Pfütze weggewischt. Dann hab ich ihr Milch gegeben. Danach gehe ich zur alten Frau Schulz. Die lebt jetzt schon Jahre allein und braucht immer häufiger Hilfe. Wenn ich noch etwas Zeit habe, wird sie mir bestimmt die alten Geschichten erzählen.
Viola

Gott, bin ich müde. Seitdem ich Kanzlerin bin, habe ich oft gebetet. Nichts läuft wirklich gut. Ich begreife das Spiel nicht. Früher bei Mensch ärgere Dich flog immer jemand raus, und ich kam meinem Ziel näher. Doch wie schmeißt man den Schäuble oder den Müntefering raus? Was mich wirklich erstaunt, ist die Gutmütigkeit der Menschen. Die schlukken alles. Im Osten haben sie alle gemeckert. Heute gehen sie einkaufen. Hätte viel Spaß mit Platzeck.
Angela Merkel

Es gibt nur noch zwei Welträtsel: Ist Onanieren Sex, und ist Regieren Politik? Alles andere hat sich erledigt. Die Menschen sind auf diesem Planeten eigentlich nicht vorgesehen. Zu blöd, das Wissen zum Leben zu nutzen und dann auch noch arrogant. Morgen gehe ich in den Wald und werde ein Bär.
Arnold Blowatz

BILD: Wilder Bär überfällt im Osten harmlose Waldbesitzer. Schäuble setzt Luftwaffe ein. Gebirgsjäger aus Bayern durchkämmen den Osten.