Des Blättchens 11. Jahrgang (XI), Berlin, 22. Dezember 2008, Heft 26

Deutsch, aber gründlich

von Uwe Stelbrink

Der CDU-Parteitag in Stuttgart zeitigte kaum nennenswerte Ergebnisse: eine windelweiche Debatte zur DDR-Geschichte der CDU – Wir waren dabei, aber nicht schuld – und vor allem wahltaktisch bestimmtes Herunterreden der Folgen der Finanzkrise. Mehr war nicht zu erwarten und auch nicht notwendig. Für das Simulieren von Politik reicht das allemal.
Doch dann ein demokratisches Aufbegehren der Parteitagsbasis – gegen den ausdrücklichen Willen der Großen Vorsitzenden. Eine Grundgesetzänderung wird von der Volkspartei, die ihre Stärke in der Mitte sucht, gefordert. Ein Zusatz zum Artikel 22: »Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch«. Wer hätte das gedacht? Wer kann solchen Antrag eingebracht haben, wer hat ihm zur Mehrheit verholfen?
Man könnte verstörte Delegierte vermuten, die bei ihrer Abreise in Dresden oder Leipzig gefragt wurden: »Ham se dir ooch ne Freischdällung gegähm, wie beim Honneger?« Es könnte aber auch eine Allianz der deutschen Leitkulturhammel gewesen sein.
Aber nein, es liegt anders, ganz anders. Auch die CDU ist mittlerweile von V-Leuten des Bundesamtes für Verfassungsschutz mehrheitlich unterwandert. Und den Schlapphüten geht die Arbeit aus. In der NPD sollen sie nicht, in der LINKEN brauchen sie nicht, jedenfalls nicht ernsthaft. Um die Terroreros in Deutschland kümmert sich bald das BKA allein. »Weshalb also noch Verfassungsschutz?«, fragen sich Max Mustermann und Lieschen Müller.
Da war Handeln angesagt, entschlossenes zumal. Und die IMs in der CDU haben mehrheitlich gehandelt. Denn: Wenn bald – und es könnte bald sein, denn von Herrn Schäuble und anderen Superdemokraten geforderte Grundgesetzänderungen werden jetzt ja so en passant, Verzeihung, so im Vorübergehen erledigt – wenn also bald »Hier wird Deutsch gesprochen!« Verfassungsrang erhält, erschließen sich den Schützern der Verfassung völlig neue Tätigkeitsfelder.
Zunächst wären die Landesämter, zuerst und vorzugsweise in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen, erheblich aufzustocken, vorrangig mit Mitarbeitern aus Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, aus dem Duden-Verlag und von der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch« Berlin. Neben der gewohnt verdeckten Arbeit müssen in diesen Schwerpunktländern öffentliche Streifen des Verfassungsschutzes eingerichtet werden. Im ersten Halbjahr nach Inkrafttreten genügen noch Ermahnungen, danach wird mit Bußgeldbescheiden zur Kasse gebeten. Der Bundeshaushalt erhält eine ungeahnte Finanzierungsquelle, mit der alle zusätzlichen Belastungen aus der Finanzmarktkrise und den noch zu erwartenden aus der erst noch anstehenden Krise der »Realwirtschaft« mühelos abgedeckt werden können.
In einigen Sondergebieten (Lausitz, Köln, Bayerischer Wald, Suhl und Neugersdorf-Oberlausitz) wird der Ausnahmezustand verhängt, dessen Aufhebung erst nach mehrjähriger nachgewiesener Sprachschulung aller Bewohner zur Überprüfung dem Bundesverfassungsgericht anheimgestellt werden kann. BAP, Die Höhner sowie alle Gruppen, die an »Hitparaden der Volksmusik« und ähnlichen kriminellen Veranstaltungen teilnehmen, erhalten einen persönlichen Mitarbeiter aus den Reihen des Verfassungsschutzes gestellt.
Da der Verfassungsschutz auch präventiv tätig sein soll, richtet er eine Übersetzungsabteilung, zu Beginn erst einmal mit 1500 Mitarbeitern, ein. Hier kann jeder Bürger zur Vermeidung von Bußgeldern seine geplanten Redebeiträge, Briefe und E-Mails vor Entäußerung auf Unbedenklichkeit prüfen und bei Bedarf korrigieren lassen. Die Gebühren betragen fünfzig Prozent der Bußgelder; Elferräte und Büttenredner aus dem Rheinland sowie Kellner aus Bayern zahlen einen Aufschlag von zweihundert Prozent.
Eine etwas größere Abteilung des Verfassungsschutzes übernimmt den unnachsichtigen Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Sprache in Industrie, Handel, Gewerbe und Werbung. Der damit erzwungene Austausch von über achtzig Prozent aller Produktbezeichnungen, Firmennamen, Fernseh- und sonstiger, auch Außenwerbung, löst einen ungeahnten Aufschwung bei Werbeagenturen, Filmstudios und Handwerksbetrieben aus, mit dem der Abschwung in der Automobilindustrie mehr als ausgeglichen wird. Um unzumutbare Härten zu vermeiden, werden per weiterem Zusatz zum Artikel 22 folgende Wörter zu deutschen erklärt: Döner, McDonalds, Burger, Cola, Job-Center, Info-Point und Hartz IV. Handy ist bereits ein deutsches Wort und bedarf deshalb keiner besonderen Erwähnung.
Daimler nennt sich vorbeugend um in »Betrieb zur Herstellung von Fahrzeugen für den straßengebundenen Individual- und Güterverkehr in Deutschland und der Welt«, BMW zu »DMW in Bayern«. Herr Ackermann teilt mit, daß die Deutsche Bank nach längerer Prüfung zwar ihren Namen behält, aber aus sprachlichen Gründen jegliche Aktivitäten im Investmentbankingbereich schrittweise zurückfährt.
Der Bundespräsident erhält in einer Entschließung vom Bundestag eine Freistellung von korrekter deutscher Sprache bei seinen Berliner Reden; insbesondere sei mit dem neuen Verfassungszusatz nichts über abverlangte Sinnhaftigkeit der deutschen Rede gesagt. Bundestag und Bundesrat weiten in einer Sondersitzung diese Freistellung auf Abgeordnete des Bundestages, der Länderparlamente und der Gemeindevertretungen sowie auf alle Angestellte von Bund, Ländern und Gemeinden mit Ausnahme des Verfassungsschutzes selbst aus. Der Verfassungsschutz legt vergeblich Klage gegen diese Einschränkung des Gültigkeitsbereiches der Verfassung ein, da er sie lediglich mit den enormen Einnahmeausfällen aus Bußgeldern begründet hatte.
In Stuttgart wird im Dezember 2009 ein Denkmal zur Erinnerung an den Parteitagsbeschluß des CDU-Parteitages 2008 durch Bundeskanzler Roland Koch enthüllt. Er läßt sicherheitshalber seine Rede durch einen Vertreter des Verfassungsschutzes verlesen.
Silvester 2009 wird erstmals der »Deutsche Preis zum Schutz der Deutschen Sprache« verliehen. Er geht zu gleichen Teilen an Mario Barth und an Das Blättchen, an ersteren für seinen schöpferischen Beitrag zur Erweiterung und Vermittlung einer einfachen deutschen Alltagssprache, an das Blättchen für sein tapferes Festhalten an der alten deutschen Rechtschreibung.
Der Verfassungsschutz erhält am gleichen Tage den Status einer gemeinnützigen Vereinigung und ist zum Ende 2009 größter öffentlicher Arbeitgeber in der Bundesrepublik Deutschland.