15. Jahrgang | Nummer 13 | 25. Juni 2012

Brandenburgischer Kunstpreis im neunten Jahr

von Peter Liebers

„Der Erfolg gibt innovativen Ideen Recht, auch wenn sie sich nicht unmittelbar in Euro messen lassen“, stellt Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, als Schirmherr des Brandenburgischen Kunstpreises fest. Im Juli pilgern sowohl Künstlerinnen und Künstler Brandenburgs als auch ein kunstsinniges Publikum nach Neuhardenberg, wo in diesem Jahr der Brandenburgische Kunstpreis der Märkischen Oderzeitung in Kooperation mit der Stiftung Schloss Neuhardenberg zum neunten Mal verliehen wird. Begleitet von einer Ausstellung im Kavaliershaus Ost bildet er vom 8. Juli bis zum 12. August eine Art Leistungsschau, die von einer unabhängigen Jury ausgewählt wurde.
Eine Tageszeitung auf dem Kunstparkett – das weckt Assoziationen nach dem sprichwörtlichen Tanz auf dem Eis. Noch dazu wenn es sich um ein regionales Blatt handelt wie die in Ostbrandenburg erscheinende Märkischen Oderzeitung (MOZ). Einem Kopfsprung gleich entstand 2004 die verwegene Idee, den vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur aus Finanzierungsnöten eingestellten Kunstpreis des Landes Brandenburg weiterzuführen. Zunächst auf das Erscheinungsgebiet der MOZ beschränkt, gewissermaßen um Laufen zu lernen, sprach Bernd Kauffmann, der Generalbevollmächtigte der Stiftung Schloss Neuhardenberg, schon im zweiten Jahr die Ermunterung aus, nicht allein die im Erscheinungsgebiet lebenden Künstlerinnen und Künstler („von der Oder bis zur Hauptstadt“, wie es in einem Werbeslogan heißt), sondern alle in den Landesgrenzen arbeitenden einzuladen.
Wie dringend notwendig es war, Malern, Grafikern und Bildhauern diese Plattform zurückzugeben, erfuhr der MOZ-Chefredakteur und Jury-Vorsitzende, Frank Mangelsdorf, vom ersten Augenblick an. „Seit 1990 mischt sich die traditionelle Kunstszene des Landes mit jungen Künstlern auch aus den alten Bundesländern.“ Wie das zum beiderseitigen Vorteil geschieht wird augenfällig, wenn die Älteren, hier bereits etablierten konfrontiert werden mit offenen Formen und Stilen. Die Jüngeren dagegen mit dem Schaffen ihnen weitgehend unbekannt gebliebener Künstler und deren Arbeitsweisen und Existenzformen. Mangelsdorf spricht von „Kontinuität und Wandel“ und räumt ein, dass der Entschluss zur Beteiligung an der jährlich stattfindenden Ausschreibung der drei gleichberechtigten Preise „für die Künstler des weit verzweigten Flächenlandes viel Mühe und Aufwand bedeutet“. Das gilt auch diesmal für den im Havelland lebenden Lutz Friedel (Malerei) wie für die Cottbuser Künstler Matthias Körner (Grafik) und Hans-Georg Wagner (Plastik).
Wenn das Fassungsvermögen des Großen Saales im Schlossareal von Neuhardenberg von Jahr zu Jahr immer wieder überschritten wird, mehrere Hundert Besucher den Oderbruchort aus diesem Anlass aufsuchen, wohl wissend, dass sie das Preisprocedere großenteils stehend verfolgen müssen, so ist das auch Bernd Kauffmanns scharfer Analyse der „Zustände des modernen Kulturlebens“ geschuldet. Er zitiert zum Beispiel den im Land Brandenburg bekanntlich weit herumgekommenen Theodor Fontane, der an den Reisenden appellierte, den guten Willen zu haben, „das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen“. Und Kauffmann kommt zu dem Schluss: „Ob damals oder heute – es ist, um nicht lange darum herumzuschreiben, um dieses Land kulturell nicht gerade bestens bestellt.“
Dieses Fazit klingt lapidar, erhält seine Brisanz aber durch die schwierige Existenz der meisten hier lebenden Künstler. So viel Solidarität auch waltet, so groß der Opfermut eines jeden Einzelnen ist, Ausstellungsmöglichkeiten zu schaffen, das Missverhältnis zwischen den Voraussetzungen und Chancen wird zur Zerreißprobe. Und das erst Recht, wenn jedem bewusst ist, dass zur Lebensqualität eines Landes, einer Region, einer Gemeinde ein ureigenes Gesicht gehört. Das Lebensgefühl müsse „aus mehr gespeist sein als aus den materiellen und infrastrukturellen Versorgungspauschalen oder Sättigungsbeilagen eines noch so effizienten Kommunalmanagements“, wie Kauffmann klarstellt.
Alles andere als „staatstragend“ begleitet Matthias Platzeck das Preisgeschehen, wenn er feststellt, dass „für unser Gemeinwesen Werke aus Kunst und Kultur unverzichtbare Werte darstellen“, es aber „zuweilen genau jene Werte sind, die in unserer Gesellschaft an Beachtung zu verlieren scheinen“. Platzeck weiß, dass sich deshalb „bildende Künstler zunehmend schwieriger werdenden Rahmenbedingungen ausgesetzt“ sehen. Er lobt aber nicht nur die fruchtbare Kooperation der Märkischen Oderzeitung mit der Stiftung Schloss Neuhardenberg und deren Anteil an einer „lebendigen und reichhaltigen Kunstszene“.
Seit fünf Jahren engagiert sich der Ministerpräsident nicht mehr nur als Schirmherr für den Brandenburgischen Kunstpreis, vielmehr stiftete er 2008 einen vergleichsweise hochdotierten Ehrenpreis für ein Lebenswerk und verleiht den in dessen Rahmen. Mit Werner Stötzer, Wieland Förster, Bernhard Heisig und Sabina Grzimek entschied er sich für herausragende Künstler, würdigte damit ihr Oeuvre, aber machte auch kenntlich, „dass Brandenburg seine Kunst und Künstler schätzt und achtet“.
Das setzt sich in diesem Jahr fort, wenn Harald Metzkes für sein Schaffen geehrt wird. Der Mitbegründer der Berliner Schule hat vor gut 20 Jahren mit seinem Künstlerbuch „Brandenburgischer Triangel“ hier seinen Einstand gegeben und handelt heute neben seinen gewohnten Motiven Landschaft, Stillleben und Akte nach Goethes Maxime: „Geh‘ vom Häuslichen aus und verbreite Dich, so du kannst, über alle Welt.“ Mit Genugtuung stellt Platzeck fest, dass Metzkes‘ Arbeiten „sich einen Platz in der deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts erobert“ haben. Man kann darin auch eine Genugtuung sehen und es als eine Geste der Wiedergutmachung dafür empfinden, dass die als Brandenburgpreis 1992 begründete und Förderpreis fortgeführte Auszeichnung im Jahr 2000 dem Rotstift der damaligen Kulturministerin Johanna Wanka zum Opfer gefallen ist.
Trotz mehrerer weiterhin vom Ministerium vergebener Förderstipendien bildete dieser Verlust auch eine Lücke im Renommee der Künstler des Landes. Die wird inzwischen neben dem Ehrenpreis des Ministerpräsidenten doppelt ausgeglichen: Im neunten Jahr des Brandenburgischen Kunstpreises kreiert die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Sabine Kunst, ein Förderstipendium für junge Künstler, das unter Beibehaltung der seit Mitte der 1990er Jahre gestifteten Förderpreise jährlich vergeben werden soll. Die ministerielle Kassenlage dürfte jetzt keineswegs positiver ausfallen als vor zwölf Jahren. Aber mit sechs Monatsstipendien für ein in Brandenburg zu realisierendes Projekt ist die Auszeichnung nobel ausgestattet und dazu angetan, die Fehlentscheidung von damals vergessen zu machen.
Die dreißigjährige Grafik-Designerin Eva Kretschmer bewegte sich 2011 vier Monate mit ihrem Wohnmobil in scheinbarer Weltverlorenheit zwischen Landidylle und teils schrillen Kunstprojekten durch die Prignitz und Märkisch-Oderland. „Hupe Design Brandenburg“ nennt sie ihr „soziales Kunstprojekt“, mit dem sie sich für das Förderstipendium des Ministeriums beworben hatte und wofür sich eine Jury unter 21 Einreichungen entscheiden konnte. Kretschmer will die Menschen, die sie bei ihrer ersten Tour kennen gelernt hat und deren Vertrauen sie gewann, mit ihrer weiterzuführenden sozial-künstlerischen Arbeit weiter begleiten. Denn sie lebt in der Überzeugung, dass man die Bewohner ländlicher Regionen „nicht mit kurzlebigen, selbstverliebten (Kunst) Aktionen erobern kann“. Darum wird sie im Rahmen der Initiative „Dorf-Design“, ihrem „Autokino Zempow“ oder einer „Langen türkisch-deutschen Autoschrauber-Nacht“ erneut auf die Reise gehen, worüber die Kulturministerin froh ist, denn Eva Kretschmer „verbindet mit diesem Preis auf ideale Weise unser Anliegen, junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern, mit der Notwendigkeit, im Flächenland Brandenburg neue lokale und regionale Identitäten zu schaffen“. Der Beginn einer weiteren Erfolgsgeschichte? Mit dem ihr eigenen Humor formuliert die in Sachsen geborene, im Lipper Land aufgewachsene und in Potsdam und Berlin ausgebildete Künstlerin ihr Anliegen so: „Statt Blumen mitzubringen, ist es besser, gemeinsam welche zu pflanzen!“