von Frank Ufen
Vor einigen Jahren hat sich der britische Psychologe Charlie Frowd ein Experiment einfallen lassen, das es in sich hat. Zunächst drückte er jeder seiner 50 Testpersonen einen Stapel mit zehn Fotos von prominenten Musikern und Schauspielern – darunter Ben Affleck und Matt Damon – in die Hand. Sobald ein Proband beim Durchblättern seines Stapels auf ein Gesicht stieß, das er nicht identifizieren konnte, erhielt er die Gelegenheit, es eine Minute lang genau zu betrachten. Zwei Tage später wurden die Probanden gebeten, bei der Anfertigung von Phantombildern der ihnen unbekannten Prominenten mitzuwirken. Dabei wurde neben verschiedenen Computerprogrammen auch ein professioneller Zeichner eingesetzt. Schließlich wurden sämtliche Phantombilder 80 Studenten vorgelegt, die erraten sollten, mit welchen prominenten Gesichtern sie es zu tun hatten. Die Resultate waren katastrophal. Die Trefferquote, die die Studenten erreichten, lag bei lächerlichen 2,8 Prozent, und nicht einem einzigen von ihnen gelang es, Ben Affleck oder Matt Damon wiederzuerkennen.
Für dieses Fiasko hat der schweizerische Wissenschaftsjournalist Reto Schneider eine schlüssige Erklärung: Das menschliche Gehirn ist darauf programmiert, Gesichter ganzheitlich wahrzunehmen. Deswegen fällt es Menschen äußerst schwer, ein Gesicht zu charakterisieren, in dem sie es aus seinen einzelnen Bestandteilen zusammenfügen.
Ob Tankstellen, Supermärkte oder Versandhäuser – sie alle versuchen mit Preisen, die auf 99, 98 oder 95 enden, Kaufwillige zu ködern. Solche krummen Preise sind in den USA Anfang des 20. Jahrhunderts im Zuge der Einführung der Registrierkasse aufgekommen. Ursprünglich sollten sie nur dazu dienen, Diebstähle durch die eigenen Angestellten zu verhindern. Damit sie sich nicht das Geld von Kunden unter den Nagel reißen konnten, zwang man die Verkäufer, jedes Mal zur Kasse zu gehen, um dort das Wechselgeld zu holen. Wenig später war der gesamte Einzelhandel unerschütterlich davon überzeugt, daß Produkte, deren Preise runde Beträge geringfügig unterbieten, den Kunden billiger erscheinen und deswegen mehr gekauft würden.
Um herauszufinden, ob gebrochenen Preise tatsächlich zu Umsatzsteigerungen führen, hat der Marketingexperte Hermann Diller vor längerer Zeit in vier Drogerien die Probe aufs Exempel gemacht. In diesen Läden wurden insgesamt 440 Artikel vier Wochen lang zu runden Preisen angeboten. Das Experiment ergab, daß die Aufrundung der Preise weder einen Rückgang des Umsatzes nach sich gezogen noch bewirkt hatte, daß weniger Waren abgesetzt wurden.
Zu einem völlig anderen Befund gelangten allerdings amerikanische Wissenschaftler, als sie ein ähnliches Experiment durchführten. Sie verschickten 30 000 Kataloge, in denen Kleidung zu Preisen zwischen sieben und 120 Dollar angeboten wurden, und weitere 30 000 Kataloge, wo die gleichen Artikel zwischen 6,99 Dollar und 119,99 Dollar kosten sollten. Dabei zeigte sich, daß die um einen einzigen Cent niedrigeren Preise sich in einer Umsatzsteigerung von neun Prozent niederschlugen. Ein drittes Experiment ergab sogar, daß ein Kleid für 39 Dollar wesentlich häufiger gekauft wird als das gleiche zum Preis von nur 34 Dollar. Und so weiß man bis heute nicht genau, was es mit den krummen Preisen auf sich hat.
Wie in seinem Klassiker „Das Buch der verrückten Experimente“ stellt Reto Schneider auch in seinem neuen Buch 100 natur- und sozialwissenschaftliche Experimente vor, die zwischen dem 17. Jahrhundert und heute durchgeführt worden sind. Nicht wenige dieser Experimente sind skurril, obskur oder ethisch äußerst fragwürdig. Etliche andere sind ungewöhnlich originell und wissenschaftlich aufschlußreich. Unter anderem geht es darum, wie viele Bestellungen sich Kellnerinnen merken können, wie es um das geistige Leistungsvermögen von Menschen in Todesangst bestellt ist, oder was passiert, wenn Säuglinge und Kleinkinder essen dürfen, was sie wollen und wie viel sie wollen.
Schneider formuliert brillant und witzig. Und er hat akribisch recherchiert. Eines der anregendsten und unterhaltsamsten Bücher der letzten Zeit.
Reto U. Schneider: Das neue Buch der verrückten Experimente. Bertelsmann, München 2009. 301 Seiten, 19,95 Euro
Schlagwörter: Charlie Frowd, Frank Ufen, Hermann Diller, Reto Schneider