von Thomas Behlert
Wie eine deutsche Made im Speck lebt der deutsche Schlagersänger und Schlechtwetterphilosoph Heinz Rudolf Kunze. Da denkt man, seine Brille schrumpft, aber in Wirklichkeit wird das Gesicht nur feister und ordentlich fetter, wie es sich eben für einen guten Deutschen gehört. Seit sich Kunze vor einigen Jahren vor den Traualtar in Bissendorf (!!) schleppte, bekommt er mindestens zwölf große Mahlzeiten täglich auf den Tisch und in den Pausen noch einige süße Snacks dazu. Außerdem viel Sekt, denn die immer fleißig sprudelnden Einnahmen für seinen einzigen Hit „Verdammt ich lieb dich“ – ne, war nur Spaß und sollte Matthias Reim nicht beleidigen – also: für seinen einzigen Hit „Dein ist mein ganzes Herz“, müssen begossen werden. Und Musicals haut HRK ebenfalls regelmäßig raus.
Insgesamt gibt es bei Heinzi leider zwei Dinge, die ihm das Leben nicht gerade einfach machen und ihn immer wieder zum Strick greifen lassen. Das Eine ist, dass er geboren wurde … in einem Flüchtlingslager. Und dann das Andere – dieses angebliche Leben in einem feinsäuberlich aufgebauten Häuschen in der Nähe von Hannover. Hier darf er ewig mit den miesen Schranzen aus Geldpolitik und schlechter Musik zusammenleben und für sie auf mancher Geldgeil-Party singen. Während des Kirchgangs trifft er auf die schlimmsten deutschen Albträume, die sich ein Berliner denken kann: den Dumpf- und Dumm-Clown Oliver Pocher, die jeden deutschen Film mit ihrer erkauften Teilnahme an den Rand des Ruins treibende Veronica Ferres, die mit englischen Schlagern um Aufnahme in den musikalischen Olymp buhlende Rentner-Combo Scorpions, weiter auf den russisches Öl saufenden und Kaviar tankenden Gerhard Schröder, den Geld geiernden Meisch..Dings (mal die Ferres nach dem Namen des Paten fragen) und seit neuestem auch wieder auf Christian Wulff mit seiner frustrierten Tatootusse.
Hier fallen Kunze außerdem all die Lieder ein, die das deutsche Liedgut auf die Straße des Todes brachten. Ob er einen günstigen Kredit erhalten hat, um weiterhin alle Lieder veröffentlichen zu können, oder einfach nur so vor sich hin wulfft, war bis heute nicht in Erfahrung zu bringen.
Heinz Rudolf Kunze steht mittlerweile 30 Jahre lang auf den Bühnen dieses kleinen Landes und singt deutsch, immer wieder deutsch. Noch vor einigen Jahren wollte er im formatierten Radio eine Quote für diese Musik einführen, da seine verqueren Lieder nicht oft gespielt wurden. Damit der unbedarfte Bürger den bebrillten Eumel nicht nur beim Plattendealer sieht, sondern ebenfalls im Bücherladen, schreibt HRK zwischen den Geschäftsessen unschuldiges Papier voll und veröffentlicht außerdem allerlei Texte von der Kunz’schen-Liedertafel.
Alles hat bei ihm tieferen Sinn und soll philosophisch und intellektuell die niedere deutsche Bevölkerung aus der Reserve locken. So heißen die Alben: „Der schwere Mut“, „Deutsche singen bei der Arbeit“, „Sternzeichen Sündenbock“, „Wasser bis zum Hals steht“ und jetzt, ganz neu und völlig ideenlos: „Ich bin“. Dazu lud sich der Kunze die singenden B-Kader ein, denn der Rest wurde schon von Udo Lindenberg verheizt. Mehr als genug verklappt er die alten Lieder mit den noch älteren Sangesgenossen Hartmut Engler (Pur, ich glaub ich muss brechen!), Reinhard Mey (ein herrlich genöltes Duett: „Immer für dich da“), Joachim Witt und Hermann van Veen. Stefan Gwildis versucht, etwas Soul in das Kunz`sche Liedgut hineinzulegen und die ebenfalls längst vergessene Jule Neigel duelliert sich mit Kunze auf ganz niedrigem Niveau. Ein Auftritt bei „Miss Betonfrisur“ Carmen Nebel war ihm aber sicher.
Möge Kunze nicht noch 30 Jahre Lieder absingen, sich lieber im Hannover-Sumpf zur Ruhe setzen und ab und zu seine Brille zum Putzen aus dem angeschwollen Gesicht nehmen.
Heinz Rudolf Kunze: „Ich bin“, BMG Ariola, 15,99 Euro
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