15. Jahrgang | Nummer 11 | 28. Mai 2012

Rein und raus

von Ove Lieh

Rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln sagt man, wenn jemand sich immer wieder gegensätzlich entscheidet, also im Grunde unentschlossen erscheint.
Die Linke erlebt den Wähler gerade so ähnlich bei einem „rein in die Landratsämter und raus aus den Landtagen“. Allerdings geht es nicht um dieselben Kartoffeln, denn die Landtage befinden sich im Westen und die Landratsämter im Osten. Und dass die Wähler der beiden Regionen unterschiedlich ticken, ist allgemein bekannt. Haben die Wessis vielleicht mehr Angst vor dem Sozialismus? Möglich, aber nicht bedeutsam, weil dieser weder durch Minifraktionen in Landtagen noch durch Landräte eingeführt wird. Und schon gar nicht durch die Linke. So hochpolitisch möchte es wahrscheinlich ohnehin keiner. Die Linke erklärt sich ihre Misserfolge im Westen damit, dass ihre Erfolge ohnehin nur durch Protestwähler ermöglicht wurden, bei denen man bekanntlich nie weiß, mit welchen Kartoffeln sie es gerade haben. Jetzt sollen sie zu den Piraten gewandert sein, die dann irgendwann auch merken werden, was für schwankende und offenbar kurzatmige Gesellen die demokratischen Protestierer sind. Auch bei den Landratswahlen spielen Proteste eine wesentliche Rolle. Zum Beispiel wählte man den Landrat des Thüringer Ilmkreises ab, aus Protest gegen Schulschließungspläne in Stützerbach. Die neue Landrätin dagegen, die interessanterweise parteilos ist, aber für die Linke antrat, profitiert von ihrem Engagement beim Protest gegen die 380-KV-Leitung durch den Thüringer Wald, weniger von ihrer Verbindung zur Linken. 2009 hatte die Partei sie gar bei der Landtagswahl auf einen hinteren Listenplatz verbannt und sie war durch ein souverän gewonnenes Direktmandat dennoch in den Landtag eingezogen. Wäre sie in der Linken gewesen und nicht im Protest, würde sie jetzt wahrscheinlich nicht Landrätin werden. Vielleicht ist das der Linken im Westen gerade auf die Füße gefallen? Die Medien hierzulande übrigens wollten die Erfolge von linken Landratskandidatinnen weder an dem Einen noch an dem Anderen festmachen, sondern an der Sehnsucht der Leute nach Frauenpower. Mal angenommen, die Kandidaten wären alle blonde Männer gewesen, hätte man die Erfolge dann mit der Sehnsucht nach Blondenpower begründet? Haben sich die Wähler gar, wie es die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht vor den Stichwahlen suggerierte, für Experimente und gegen die Fortsetzung des Bewährten entschieden? Die Schließung einer beliebten und wichtigen Grundschule als Fortführung des Bewährten und der Kampf gegen eine ungeliebte Hochspannungsleitung als Experiment? Die Leute lassen sich von solchen Sprüchen aus der Mottenkiste und sexistischen Ablenkungsmanövern offenbar nicht mehr so leicht verwirren. Insofern wird man abwarten müssen, ob sie bei ihren Landratsentscheidungen dem Kartoffelmotto folgen oder nicht. Wie sich das bei den westdeutschen Wählern entwickelt weiß man nicht, ihre politischen Kartoffeln sind allerdings wenigstens vorläufig noch größer als die unseren. Spannend bleibt, ob es wenigstens hier eine Angleichung zwischen Ost und West geben wird, und ob sie sich, dem Trend folgend, auf gleiche, größere Kartoffeln zu bewegen.