von Erhard Crome
Die Christdemokraten fühlen sich als die geborene Regierungspartei Deutschland. Für sie erscheint es schon seit eh und je als Betriebsunfall oder Fehlleitung, wenn sie auf die Oppositionsbank müssen. Die Ost-CDUler mit Angela Merkel an der Spitze haben diese Disposition Adenauers oder Kohls augenscheinlich übernommen und verinnerlicht. In Thüringen und Sachsen wollen sie offenbar mindestens ebenso lange das Sagen haben, wie sie zuvor Blockflöten waren, das heißt – aus heutiger Sicht – noch mindestens zwanzig Jahre. Anders ist das Getummel um das »System Althaus« und sein Ende wohl nicht zu verstehen. Jetzt ist er abgetreten, um der Partei beim Machterhalt nicht im Wege zu stehen.
Das wäre doch die Chance, den Politikwechsel, für den die LINKE angetreten ist, und von dem auch die Thüringer SPD geredet hat, nun in der Tat zu vollziehen. Doch will sie den? Das Wahlergebnis ist eindeutig. Die CDU ist abgestürzt auf 3 1,2 Prozent, die LINKE gestiegen auf 27,4 Prozent, das heißt, sie liegt nicht einmal mehr vier Prozent hinter den Christdemokraten. Die SPD erhielt 18,5 Prozent der Stimmen. Zum Regieren ginge »Rot-Rot« und »Schwarz-SPD«. Das Problem nur ist, die Thüringer SPD erklärt, sie wolle keinen Ministerpräsidenten von den Linken wählen; sie müsse den Ministerpräsidenten stellen.
»Wie jetzt?« fragen selbst die Moderatorinnen der großen Nachrichtensendungen im deutschen Fernsehen. Das gab es doch noch nie, zumindest sehr lange nicht in dieser Bundesrepublik, daß in einer Koalition der kleinere Partner den Regierungschef stellt.
Also jetzt: Guido, der Kanzler, und Angela Merkel bereitet die Unterschriftsmappen vor? Oder sie wird wieder Umweltministerin und befaßt sich mit Kernkraftwerk Krümme1 und der Endlagerung, während Westerwelle die Richtlinienkompetenz exekutiert? Absurd, würde jeder sagen. Das aber ist das Ansinnen des Parlamentariers Matschie an die LINKE. Wir werden sehen, wie das ausgeht.
Interessant die Begründung: Die LINKE sei zerrissen zwischen Fundamentalopposition und Regierungsverantwortung, und solange das nicht entschieden sei, könne ein Linker nicht Ministerpräsident werden. Die Politikwissenschaftler in den Talkrunden nicken bedächtig und verweisen darauf, innerhalb der Thüringer SPD habe es bereits lange vor der Wahl eine Mitgliederabstimmung gegeben, deren Ergebnis eine Mehrheit gegen einen Ministerpräsidenten der LINKEN gewesen sei. Auch seien die Personalentscheidungen der Partei in diesem Sinne gefallen, und daran sei die SPD jetzt gebunden. Sonst wäre es ja der »Ypsilanti-Effekt«. Schon in Hessen war das eine Lügenkonstruktion, nicht der damaligen Partei mit Andrea Ypsilanti als Kandidatin für das Ministerpräsidentenamt, sondern der Gegner – die eben die zum Regieren geborene CDU in Hessen an der Macht halten wollten.
Da wog schon das Wort: »Nicht mit den LINKEN« höher als der versprochene Politikwechsel, für den die Stimmen für die SPD in Hessen eigentlich abgegeben worden waren.
Hier die Wiederholung: »Nicht mit einem linken Ministerpräsidenten« rangiert höher als der auch von der Thüringer SPD angekündigte Politikwechsel im Land.
Wie kommt das alles? Der Parteienforscher Franz Walter, der sich immer wieder gern zu sozialdemokratischen und linken Themen äußert, macht die Spaltung in der LINKEN – im breitesten Sinne – dafür verantwortlich, die bereits zwischen Lassalleanern und der Richtung Bebe1 in den 1860er und 1870er Jahren eine Rolle spielte und dann innerhalb der 1875 vereinigten deutschen Sozialdemokratie fortgesetzt wurde. (Spiegel Online, 2. September 2009) Die Spaltung in SPD und USPD beziehungsweise KPD 1917/1918 sei dann die Konsequenz dieser älteren Spaltung gewesen. Und heute sei das eben die in SPD und LINKE.
Das ist gewiß ein Teil der Wahrheit, aber nicht die ganze. Die SPD war auch immer in Parteirechte und Parteilinke gespalten, die sich heftig bekämpft haben und innerhalb der Partei stets ihre eigenen Strukturen hatten und haben. Und ein Teil jener SPD-Linken ging zur LINKEN. Aber das hat das Links-Rechts-Problem innerhalb der SPD nicht beseitigt. Es zeugt sich immer wieder aufs neue fort.
In diesem Sinne war den Parteirechten in Hessen die SPD-geführte Landesregierung nachrangig im Verhältnis zur Abgrenzung von der LTNKEN. Nach außen war es eine »Gewissensentscheidung«, die intern seitens der »Abweichler« durch – wie wir heute wissen – interne vertrauensvolle Gespräche mit führenden CDU-Politikern vorbereitet wurde. Mit dem Ergebnis, daß Koch wieder regiert.
Bei der LINKEN, die eher eine postmoderne Partei ist, spielen die ideologisch ausgetragenen Debatten zwar eine interne Rolle, für die übergroße Mehrheit ist dies jedoch nachrangig gegenüber einer Stärkung der Partei im Lande. (Nur bei einigen, die es bisher in keiner Partei ausgehalten haben, scheint das zuweilen anders zu sein.) Das heißt, es gibt ein Problem innerparteilicher Spaltung, das in Wählerbetrug mündet, das liegt aber nicht in der LINKEN, sondern in der SPD. Und das wird auch 2013 noch seine politische Rolle spielen, die am Ende den Christdemokraten nützt.
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