von Peter Petras
In den letzten Wochen gab es allerlei Bewegungen in bezug auf den Nahen Osten. Es ist aber noch nicht klar, in welche Richtung. Da ist zunächst Avigdor Lieberman. Er wird in den deutschen Medien regelmäßig als »Ultranationalist« (ARD), »Rechtsnationalist« oder »Araberhasser« (»Der Tagesspiegel«) bezeichnet. Vor seinem Besuch in Brasilien Ende Juli 2009 wurde er von Walter Pomar, dem Verantwortlichen für Internationale Politik der in Brasilien regierenden Arbeitspartei (PT), in einem Interview für die israelische Zeitung »Haaretz« »ein Faschist und ein Rassist« genannt, gegen den man Protestkundgebungen organisieren werde. Die brasilianische Regierung beeilte sich zu erklären, Pomar vertrete nicht ihre Positionen.
Was bedeutet es eigentlich, daß Lieberman jetzt Außenminister Israels ist? Er kam aus Moldawien, der früheren Sowjetrepublik, wo er sich sein Geld unter anderem als Türsteher verdient hatte. Im Jahre 1999 gründete er die Partei »Israel Beitenu«, was auf Russisch »Nasch Dom Israel« und ins Deutsche übersetzt »Unser Haus Israel« heißt. Die Idee für einen solchen Namen, der zugleich Programm ist, kam offenbar aus Rußland, wo es 1995 bis 1999 eine Machtpartei des Kreml mit Namen »Unser Haus Rußland« gab. Von den etwa 5,5 Millionen jüdischen Einwohnern Israels stammen fast 1,5 Millionen aus der früheren Sowjetunion. Ihre Einwanderung hat das innenpolitische Kräfteverhältnis dauerhaft nach rechts verschoben. »Israel Beitenu« und Lieberman sind ein politischer Ausdruck dessen. Beobachter sagen, deren Haltung gegenüber Palästinensern sei in der Tat rassistisch – es sei der in Moskau übliche Rassismus gegenüber Kaukasiern und vor allem Muslimen.
Robert Fisk zog einen anderen Vergleich. Fisk ist der Nahost-Korrespondent des britischen »The Independent«. Die »New York Times« schrieb, er sei der »berühmteste britische Auslandskorrespondent«; er berichtete in den vergangenen Jahrzehnten über den Nordirlandkonflikt, während der »Nelkenrevolution« aus Portugal, während der sowjetischen Besatzung aus Afghanistan und seit den Golfkriegen aus dem Nahen Osten. Als es um die Regierungsbeteiligung Liebermans ging, überschrieb Fisk seinen Artikel mit: »Warum Avigdor Lieberman das Schlimmste ist, was dem Nahen Osten zustoßen kann.« An die Adresse der USA-Außenpolitik gegenüber Israel schrieb er: »Die betreffenden Leute täten gut daran, sich an die verhetzende Sprache Avigdor Liebermans zu halten, der eher wie ein russischer Nationalist klingt als wie der säkulare Israeli, der er behauptet zu sein. Anfang der 90er Jahre habe ich über das Blutbad in Bosnien berichtet. Ich erkenne in Liebermans Sprache – von Exekutionen, Ertränken, Hölle und Loyalitätseiden – die Sprache der Herren Mladić, Karadzić und Milošević. Lady Hillary und ihr Boss sollten einige Bücher über den Krieg in Ex-Jugoslawien aus dem Regal holen, damit sie begreifen, mit wem sie es zu tun haben.« Das scheint geschehen zu sein. Die Obama-Regierung hatte bei ihrem Kurs auf eine Friedenslösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf der Grundlage einer Zwei-Staaten-Lösung von der Regierung Israels verlangt, den Siedlungsbau einzustellen.
Da ist inzwischen aber auch der amerikanisch-jüdische Multimillionär Irving Moskowitz mit seinem Bauprojekt in Ostjerusalem. Der in Miami lebende Moskowitz ist dem derzeitigen israelischen Ministerpräsidenten von der rechten Likud-Partei, Benjamin Netanjahu, freundschaftlich verbunden und hat dessen politische Karriere bereits mit Spenden gefordert, als dieser noch weithin unbekannt war. Mit Spenden finanziert er seit Jahrzehnten auch israelische Siedler in den arabischen Gebieten, darunter im arabischen Ostjerusalem. Konkret geht es jetzt um das dort liegende frühere Shepherd-Hotel, das Irving 1985 gekauft hatte und jetzt abreißen lassen will, um dort zwanzig Luxuswohnungen zu errichten. Die Genehmigung wurde von der Jerusalemer Stadtverwaltung erteilt.
Im Sechstagekrieg 1967 hatte Israel unter anderem Ostjerusalem annektiert. Im Juli 1980 wurde die Stadt per Gesetz zur »unteilbaren und ewigen Hauptstadt« des jüdischen Staates erklärt. Der UNO-Sicherheitsrat hat dies für nichtig erklärt und den Besatzungsstatus der gesamten besetzten arabischen Gebiete betont. Die Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordangebiet sind ein Haupthindernis für die Friedenslösung. Offensichtlich ist, daß Netanjahu hinter der Entscheidung steht, dem Moskowitz-Projekt grünes Licht zu geben. Die US-Regierung bestellte daraufhin den israelischen Botschafter in Washington, Michael Oren, ein, um ihm die Aufforderung mitzuteilen, den Bau von Siedlungen tatsächlich einzustellen. Netanjahu zeigte sich »überrascht« und bekräftigte den Anspruch auf Ostjerusalem.
Offenbar handelt es sich um einen Präzedenzfall der politischen Auseinandersetzung, die sich derzeit zuspitzt. Dan Meridor, ebenfalls Likud und stellvertretender Ministerpräsident, erklärte, daß die »Glaubwürdigkeit der USA in Frage« stünde. Nicht nur, daß der ständige Bruch des Völkerrechts durch die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik verleugnet wird, hier wird der Spieß umgedreht: Es hätte schriftliche und mündliche Absprachen mit der Bush-Administration gegeben, die Israel einen Siedlungsbau in den besetzten Gebieten zugestehen. Und wenn die Obama-Regierung nicht zu diesen Abmachungen stünde, seien die USA nicht glaubwürdig.
Umgekehrt wissen Obama und seine Regierung, daß ihre gesamte neue Nahost-Politik scheitert, wenn der Siedlungsbau fortgesetzt wird. Netanjahu soll einlenken. Wenn er dem Siedlungsbau ein Ende macht, würden jedoch nicht nur Bedingungen für die Friedensverhandlungen geschaffen. Es würde auch die derzeitige Regierung zerbrechen, weil dann die Geschäftsgrundlage der derzeitigen Regierung zerbröselt und Lieberman die Koalition verläßt. Dies wiederum würde Zipi Livni und ihre Kadima-Partei wieder ins Boot holen, die zur Knesset-Wahl im Februar mit einem Programm für Friedensverhandlungen angetreten waren und stärkste Partei wurden, angesichts der rechten Mehrheit im Parlament aber keine Regierung bilden konnten.
Bei der Frage, welche der beiden Seiten nun die besseren Chancen hat sich durchzusetzen, sollte allerdings nicht vergessen werden, daß der Stein des Anstoßes jetzt mit Moskowitz aus den USA geliefert wurde und der Verweis auf die Absprachen mit Bush nicht zufällig ist. Der internationale Konflikt um den Nahen Osten und die Beziehungen USA–Israel hat seine Ausformungen in die Innenpolitik der USA. Derzeit melden etliche der dortigen Medien, die »Obamania« sei vorbei, Barack Obamas Stern sinke, und er hätte zuviele Baustellen gleichzeitig geöffnet. Der Kurswandel in bezug auf Israel ist wohl eine, die besonders gemeint ist.
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