von Jörn Schütrumpf
Als ich ihn knapp vor seinem 60. Geburtstag kennenlernte, war er mir längst vertraut: als auffälliger Autor in der ohnehin auffälligen Weltbühne. Stets sachlich, seine Argumentationen ruhten auf breitem und festem Fundament, und die Sprache war alles andere als DDR – alles das also, was ich mir als DDR wünschte.
Formal hatte ich nichts mit ihm zu tun – doch er war der Verbündete von uns jungen. Sein Einfluß war beschränkt, jedoch wirkungsvoll: Denn er wußte zu ermutigen. Und: Er war kein Leisetreter, sagte, immer sehr beherrscht und kultiviert, um nicht zu sagen: formvollendet, das, was er meinte, ohne sich jedoch angreifbar zu machen.
Das hatte er hinter sich. Als Gründungschefredakteur der »Zeitschrift für Geschichtswissenschaft« war er als junger Mann 1957 wegen einiger Artikel in die Ulbrichtsche Intellektuellenhatz geraten. Wolfgang Harich, Chefredakteur der »Zeitschrift für Philosophie«, ging für viele Jahre ins Zuchthaus Bautzen, Herbert Sandberg, Chefredakteur der »Bildenden Kunst«, retteten vor der Haft sein Draufgängertum und seine Verbindungen zu einstigen französischen Mit-KZ-Häftlingen (die ehemalige Emigrantin Hilde Eisler sicherte ihm in den folgenden Jahren mit einer Kolumne im »Magazin« die wirtschaftliche Existenz ab), bei Gunther Kohlmey, dem Chefredakteur der Zeitschrift »Wirtschaftswissenschaft«, unterblieb die Verhaftung auf sowjetische Intervention hin, der vergleichsweise weniger aufmüpfige frühere Wehrmachtssoldat Fritz Klein wurde aus der Spitze der Geschichtswissenschaft ins letzte Glied durchgereicht.
Seine dreibändige Darstellung »Deutschland im Ersten Weltkrieg« (jüngst im »Leipziger Universitätsverlag« als Reprint wiederaufgelegt) brachte ihm jedoch internationale Anerkennung, sein Versuch einer Hitler-Biographie allerdings neue Demütigungen. Noch 1989 löste eine Seite (!) im »dietz-Geschichtskalender« zu Hitlers Biographie – aus anderer Feder – bösen politischen Ärger aus. Über den Sieger über die KPD hatte man nicht zu schreiben.
Es waren eher zufällige Begegnungen, die er jedoch stets zum Gespräch, bald auch zum vertrauten, keineswegs aber konspirativen Gespräch suchte. Sein Vater, Fritz Klein Sen., war nach dem Ersten Weltkrieg wie nicht wenige Rumäniendeutsche zurück nach Deutschland gewandert, hatte als Chefredakteur der »Deutschen Zeitung« am rechten Rand der Konservativen gestritten und Hitlers Einbindung in die konservative Rechte gefordert. So war Fritz Klein jun. 1924 in großbürgerliche Verhältnisse hineingeboren und nach dem 30. Januar 1933, nach der von den Nazis erzwungenen Entlassung seines Vaters, aus ihnen herausgeschleudert worden. Kurz darauf kam Fritz Klein Sen. unter ungeklärten Umständen bei einem Reservedienst um, sein Sohn wurde für einige Zeit nach Rumänien zu den Verwandten geschickt. Die Konversation, das Bedürfnis nach geistigem Austausch, das Klima der Kindheit, blieb jedoch, auch als der Sohn ins linke Lager wechselte – im Westen Deutschlands hätte er es bei seiner Herkunft leichter gehabt.
Als – man konnte sich zumindest nicht an der Akademie der Wissenschaften der DDR ganz internationalen Trends verweigern – am Institut für Geschichte ein Bereich »Allgemeine Geschichte« (der Neuzeit) aufgebaut werden mußte, führte an Fritz Klein kein Weg vorbei. Beim Aufbau braucht man Menschen, die im In- wie Ausland geachtet sind, in jeder Hinsicht in Strukturen denken und vor allem kommunizieren und motivieren können. Bei der Umwandlung des fertigen Bereichs in ein eigenes Institut wurde Fritz Klein natürlich beiseitegelegt; 1990, schon nach seiner Emeritierung, holten ihn allerdings seine Mitarbeiter als freigewählten Direktor zurück ans Institut.
Als wir diese Zeitschrift gründeten, fragte ich ihn um Rat. In kühler Abwägung riet er ab – was wir jedoch in den Wind schlugen. Trotzdem wurde er unser Autor. Nicht zuletzt dafür Dank – und vor allem natürlich: Herzlichen Glückwunsch.
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