Des Blättchens 12. Jahrgang (XII), Berlin, 31. August 2009, Heft 18

Stalin, eine Erinnerung

Am 1. September 1939, vor siebzig Jahren, überfiel Nazideutschland Polen und entfesselte zielgerichtet in Europa den Zweiten Weltkrieg – der in Asien, geführt vom japanischen Aggressor, schon seit 1937 tobte. Zuvor waren Deutschland durch Italien erst Österreich und dann durch den Münchener Verrat Frankreichs und Großbritanniens der tschechische Teil der Tschechoslowakei kampflos ausgeliefert worden. Zeitgleich hatte in der Sowjetunion das KPdSU-Politbüro im Zuge einer in der Weltgeschichte selten gesehenen Terrorwelle 1937 die Rote Armee enthaupten – drei Marschälle, 13 Generäle und etwa. 5 000 Offiziere wurden ermordet – sowie die verhaßte Kommunistische Partei Polens, die sich nicht so sehr in der Tradition Lenins als vielmehr in der Rosa Luxemburgs verstand, auflösen lassen. Mehr als 3 000 polnische Kommunisten bezahlten ihre Emigration ins »Vaterland der Werktätigen« mit dem Leben.
Das schwierigste strategische Problem, vor dem bei der Entfesselung eines Krieges die deutsche Generalität stand, war die Vermeidung eines nicht gewinnbaren Zweifrontenkrieges und damit eine Wiederholung von 1914. Nachdem es Hitler nicht gelungen war, Polen gegen die Sowjetunion in eine Juniorkriegspartnerschaft hineinzuzwingen, bei der der Westen keine Hand gerührt hätte, hatte er bei Stalin ein Bündnis gegen Polen und damit die Paralysierung dessen Staates sondieren lassen. Stalin, durch den eigenen Terror militärisch schwer geschwächt, war in diese Falle getappt. In Berlin hörten die Sektkorken gar nicht mehr auf zu knallen.

Quelle: Berliner Illustrierte Zeitung, Nr. 35 vom 31. August 1939. Wir bedanken uns bei unserem Autor Werner Abel, der die beiden Dokumente zur Verfügung stellte. Die Redaktion

Das Stalininterview erschien am 7. Dezember 1939 in der von der KPD in Stockholm produzierten Zeitschrift »Die Welt. Zeitschrift für Politik, Wirtschaft und Arbeiterbewegung«. Hier wird es erstmals wiederveröffentlicht.
Die Wege zu den deutschen Kommunisten in Westeuropa, vor allem in Frankreich, waren durch den Krieg weitgehend unterbrochen. Auch die nichtkommunistische Emigration war seit dem Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August und dem Überfall der Sowjetunion auf das kämpfende Polen am 17. September 1939 als Zielgruppe der Zeitschrift ausgeschieden. Die kommunistische Linke hatte sich von Stalin ins Aus manövrieren lassen. Die »Welt« war nur noch als Verlautbarungsorgan der sowjetischen Führung an die deutsche Führung verwendbar und wurde, wie das Interview zeigt, auch so eingesetzt. Anders als in dem Interview behauptet, erschien dieser Text übrigens nicht in der Prawda – das russische Original wurde erstmals in den neunziger Jahren publiziert.
Hitler nutzte die Atempause, eroberte schrittweise fast ganz Europa, um sich dann, auf dieses Potential gestützt, mit einem Ausrottungsfeldzug auf die Sowjetunion zu stürzen. Die Zeche zahlten die Völker der Sowjetunion.